Schlimmer als Salafisten und der “Islamische Staat”? Der Historiker Heiko Heinisch erläutert, welche Gefahr vom legalistischen Islamismus ausgeht und wie darauf zu reagieren ist.
Demokratie, Pluralismus, Menschenrechte – das sind Selbstverständlichkeiten in Deutschland. Aber was, wenn man dagegen verstößt? Muslimische Verbände fordern von deutschen Ministerien Fördermittel zur Pflege der eigenen Kultur wie beispielsweise den muslimischen Religionsunterricht – und bekommen diese auch. Es fehlt im Gegenzug aber eine Verpflichtung, sich an die hiesigen Grundwerte zu halten. Ein Gespräch mit Historiker Heiko Heinisch.
Herr Heinisch, was versteht man unter „legalistischem Islamismus“?
Islamismus bezeichnet eine politische Ideologie, die auf islamischen Vorstellungen aufbauend, ein Gegenmodell zu Säkularismus, Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten, also den Grundlagen unserer Gesellschaft, verspricht. Islamisten versuchen, den Islam als normative Ordnung für Staat und Gesellschaft zu etablieren. Legalistische Islamisten halten sich dabei an demokratische Spielregeln, vertreten jedoch eine demokratiefeindliche Ideologie. Ihr Ziel, die Transformation des Gesellschaftssystems, verfolgen sie über den Marsch durch die Institutionen.
In der Regel distanzieren sich die entsprechenden Organisationen glaubhaft von Gewalt, was aber nicht bedeutet, dass sie Gewalt nicht anderswo auf der Welt unterstützen. Distanzierung von Gewalt war nach 9/11 und dem Karikaturenstreit ihr größter Trumpf. Die Politik suchte nach islamischen Organisationen, von denen sie glaubte, dass sie die islamisch motivierte Gewalt eingrenzen können. So wurden die gut organisierten Verbände zum Ansprechpartner für die Politik. Sie mussten nur beweisen, dass sie nicht bin-Laden sind. Wir engagieren heute also Personen, die aus dem politisch islamischen Spektrum kommen, und bezahlen sie dafür, Dschihadisten zu deradikalisieren. Auf diese Idee würde im Bereich des Rechtsextremismus niemand kommen.