Mit dem Vertrag von Lausanne, der die Türkei vor genau 100 Jahren, am 24. Juli 1923, als Nationalstaat in seinen heutigen Grenzen festschrieb und damit nicht nur den Ersten Weltkrieg endgültig beendete, sondern auch das Ende des Osmanischen Reichs besiegelte, fremdeln türkische Islamisten bis heute.
Der Vertrag von Lausanne revidierte den knapp drei Jahre zuvor abgeschlossenen Vertrag von Sèvres, der dem Osmanischen Reich massive Gebietsverluste aufgezwungen hatte und vom Sultan nur unter Protest unterzeichnet worden war. Vom osmanischen Parlament war er indes nie ratifiziert worden, denn dieses hatte der Sultan fünf Monate zuvor aufgelöst. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung im Sommer 1920 war die Macht des Sultans über die verbliebenen osmanischen Gebiete aber ohnehin mehr als angeschlagen. Große Teile standen unter der Kontrolle der von Mustafa Kemal, der unter dem Namen Atatürk (Vater der Türken) in die Geschichte eingehen sollte, geführten Nationalbewegung. Diese hatte im Jahr zuvor den nationalen Befreiungskrieg mit dem Ziel begonnen, die gesamte Türkei für einen künftigen Nationalstaat sowohl von den Alliierten als auch von den Griechen zurückzuerobern. Die Vertragsunterzeichnung in Sèvres betrachteten die Nationalisten um Mustafa Kemal daher als Hochverrat.