Zum Islam, so scheint es, kann ein deutscher Politiker nichts sagen, ohne dass von irgendeiner Seite ein Sturm der Entrüstung losgetreten wird. Diesmal trifft es wieder einmal einen Bundespräsidenten, doch es verwundert, aus welcher Richtung die Empörung kommt. In Anerkennung der Worte seines Vorgängers, der bekanntlich erklärt hatte, „der Islam gehört zu Europa“, sagte Gauck in einem Interview in der Zeit: „Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.“
Cem Özdemir, Parteichef der deutschen Grünen befand daraufhin, er könne die Differenzierung zwischen Islam und gläubigen Muslimen nicht nachvollziehen. Wenn die in Deutschland lebenden Muslime zu Deutschland gehörten, dann auch der Islam, den sie mitgebracht hätten. In Deutschland leben mittlerweile auch 250.000 bekennende Buddhisten, aber niemand käme auf die Idee zu formulieren der Buddhismus gehöre zu Deutschland. Und welchen Islam meint Özdemir? Auch den Salafismus, den in Deutschland lebende Salafisten mitgebracht haben?
Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, einer Organisation, die nicht gerade dafür bekannt ist, eine Integration ihrer Mitglieder in die deutsche Gesellschaft anzustreben, zielt mit seiner Kritik in eine andere Richtung: „Das europäische Abendland steht klar auf muslimisch-morgenländischen Beinen. Wer das leugnet, betreibt Geschichtsfälschung.“ Auch Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschlands empfiehlt Gauck einen Blick in die Geschichtsbücher: „Der Islam gehört zur Geschichte Europas und Deutschlands.“ Beide erklären leider nicht genauer, was sie darunter verstehen.
Aber letztlich ist es müßig, sich mit diesen Argumenten näher zu befassen. Was Gauck gesagt hat, geht weit über die Worte seines Vorgängers hinaus. Wulff hat mit seiner Aussage der Islam gehöre zu Europa ein religiöses Gebäude inkludiert, während Gauck die einzelnen Menschen muslimischen Glaubens inkludiert. Er spricht nicht eine vermeintliche Kollektiv-Identität als Ziel der Integration an, sondern die einzelnen Menschen; denn diese werden in einem pluralistischen, demokratischen Staat integriert und nicht Religionen oder Weltanschauungen. Mit seiner Aussage sagt Gauck den nichtmuslimischen Deutschen: „Dein Nachbar oder Arbeitskollege muslimischen Glaubens ist Teil dieses Landes, er gehört hierher“ und erteilt damit allen rechten Ausländer-raus-Rufen eine deutliche Absage. Und er sagt jedem in Deutschland lebenden Muslim und jeder Muslimin: „Du bist Teil dieses Landes, Du gehörst hierher!“ Und das sagt er mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit.
Wer das nicht verstehen will, sucht offensichtlich die Empörung um der Empörung willen.