Im Oktober ist unsere neue Studie erschienen: Heiko Heinisch, Hüseyin Çiçek, Jan-Markus Vömel: Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş: Geschichte, Ideologie, Organisation und gegenwärtige Situation.
Frederik Schindler schreibt in der WELT über die Studie:
Eine Studie der [österreichischen] Dokumentationsstelle Politischer Islam widerspricht nun einer zentralen Einschätzung des hiesigen Bundesamts für Verfassungsschutz. So gibt der deutsche Inlandsnachrichtendienst bereits seit 2014 in seinem jährlichen Bericht Entwarnung. Extremismusbezüge seien ‘deutschlandweit schwächer geworden’, heißt es seitdem darin. Die österreichische Studie […] kommt zu einem anderen Ergebnis.” Sogenannte postislamistische Zirkel der 2000er Jahre wurden nach der Berufung von Kemal Ergün zum Präsidenten der IGMG im Jahr 2011 marginalisiert und spielen in der heutigen IGMG keine Rolle mehr.
Zentrale islamistische Positionen wurden von der IGMG nie aufgegeben. Vor allem findet sich bis heute eine vollkommen kritiklose Verehrung des Gründers der Milli Görüş Bewegung, Necmettin Erbakan, und seiner islamistischen Utopie. Ein tiefverwurzelter, religiös begründeter Antisemitismus durchzieht das gesamte Denken Erbakans wie ein roter Faden. Sein in Verschwörungstheorien verhaftetes Denken sieht in allen negativen Entwicklungen weltweit die Juden am Werk: Schon Herzl habe den Plan entworfen, das Osmanische Reich zu zerstören, Juden hätten die Türkei in den Ersten Weltkrieg getrieben, Juden verhinderten die Industrialisierung der Türkei und über die Wallstreet kontrollierten die “Zionisten” die gesamte Welt. Es gelte, die Menschheit aus der Knechtschaft der Juden bzw. Zionisten (er verwendet beides synonym) zu befreien.
Solange die Verehrung Erbakans innerhalb der IGMG tradiert und seine Schriften verbreitet werden, wird auch sein Antisemitismus an jede neue Generation der IGMG weitervererbt. Das zeigt sich bis heute in einer stetig wachsenden Reihe von antisemitischen “Einzelfällen”, im Hass auf Israel und auch in der Unterstützung der Hamas.
Hier findet sich der Artikel in der WELT.
Aus dem Schlusswort der Studie: “Für einen inhaltlichen Kurswechsel der IGMG weg vom Islamismus, wäre eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und dem islamistischen Erbe ebenso unerlässlich, wie eine kritische und tabulose Betrachtung der Person Erbakans. Beides ist aktuell innerhalb der IGMG nicht erkennbar. Darüber hinaus stehen die starke Bindung zur türkischen Regierungspartei AKP sowie zur staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet und zum Präsidium für Auslandstürken und verwandte Gemeinschaften (YTB) einer eigenständigen ideologischen Neuausrichtung der IGMG im Weg.”