Facebook und die Meinungsfreiheit

Facebook ist mit etwa 2 Milliarden monatlich aktiven Nutzern (Quelle: Wikipedia, Stand: Juni 2017) das mit Abstand Reichweiten stärkste soziale Netzwerk und somit auch DIE öffentliche Plattform für politische Debatten. Für Äußerungen auf Facebook sollten daher zwingend die gleichen Regeln gelten wie für solche im analogen Leben findet unser Kolumnist Heiko Heinisch.

Du bist vorübergehend für das Posten gesperrt.

Mit dieser Meldung machen immer mehr Menschen auf Facebook Bekanntschaft. Verbunden ist sie mit einer Angabe über die Dauer der Sperre (zwischen einem und 30 Tagen) und der Warnung, „dass das wiederholte Posten von Inhalten, die auf Facebook nicht erlaubt sind, dazu führen kann, dass das entsprechende Konto dauerhaft gesperrt wird“, also der Androhung einer lebenslangen Verbannung. Noch häufiger werden von Facebook einzelne Postings gelöscht, weil diese nicht den „Gemeinschaftsstandards“ entsprochen hätten. Eine Möglichkeit zum Widerspruch, zur Verteidigung, sucht man vergeblich, die Kommunikation mit Facebook ist in aller Regel eine einseitige: Facebook – Ankläger und Richter in einem – verlautbart sein Urteil, die User/innen haben dieses schweigend zur Kenntnis zu nehmen.

Die Gemeinschaftsregeln

Nun sollte man bei diesem Vorgehen erwarten, dass die Regeln über erlaubte und verbotene Postings, die sogenannten Gemeinschaftsstandards, in einfacher und verständlicher Form dargelegt und für die User/innen nachvollziehbar durchgesetzt werden. Ersteres ist der Fall. Aber mit der Nachvollziehbarkeit ihrer Anwendung ist es nicht weit her. Entweder meint Facebook mit dem Geschriebenen anderes als gemeinhin üblich oder jene, die über Löschungen und Sperren zu entscheiden haben, halten sich nicht an die eigenen Regeln.
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Kanzlerin auf Abwegen

Im Umgang mit Satire macht die Kanzlerin keine gute Figur – es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Frau Merkel ein zumindest merkwürdiges Amtsverständnis zeigt.

Graphik: Timo Rödiger

Graphik: Timo Rödiger

Die deutsche Kanzlerin tauscht sich mit ihrem türkischen Amtskollegen über eine ZDF Satiresendung aus und kommt mit ihm überein, dass ein Beitrag dieser Sendung bewusst verletzend gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdoğan gewesen sei. Ist das Aufgabe einer Kanzlerin? Denn anders als der CDU-Politiker Elmar Brok in einer Diskussionsrunde bei Anne Will die Zuseher glauben machen wollte, kann die Kanzlerin in der Öffentlichkeit keine private Meinung vertreten. Das kann sie allenfalls im Kreis der Familie und enger Freunde, aber in dem Augenblick, in dem sie mit anderen Politikern spricht, mit ausländischen Ministerpräsidenten oder im Beisein der Presse, spricht sie ausschließlich und immer als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Es ist auch kaum anzunehmen, dass Davutoğlu die Bemerkungen der Kanzlerin als private Meinungsäußerung Angelas verstanden hat.
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Saudi Arabien kann es sich leisten, weil es nichts kostet

Heute ist der 3. Jahrestag der Verhaftung von Raif Badawi. Heute ist auch der Geburtstag seines ebenfalls verhafteten Anwalts Waleed Abu al-Khair.

Jimmy Wales, Gründer von Wikipedia und einer der Unterstützer der Kampagne zur Freilassung der beiden, richtet aus diesem Anlass eine Videobotschaft an den saudischen König und die Regierung. Darin heißt es unter anderem: “Merely speaking your mind is not a crime. … There’s a rising mood and a rising movement worldwide to put pressure on our governments and on our businesses to stop doing business with you – it’s going to really hurt you – Now’s the Time”
UnbenanWales bringt einen wesentlichen Punkt ins Spiel: Saudi Arabien kann die Menschenrechte fortgesetzt mit Füßen treten, weil dies in all den vergangenen Jahrzehnten weder wirtschaftliche Konsequenzen hatte, noch für diplomatische Verstimmungen sorgte, weil es bisher nichts oder nur sehr wenig kostete. Versuchen wir also, die Kosten zu erhöhen! Die Verletzung der Menschenrechte im Allgemeinen und die Vollstreckung des Urteils gegen Raif Badawi und Waleed Abu al-Khair im Speziellen sollte für Saudi-Arabien so teuer werden, dass es seine bislang kompromisslose Haltung überdenkt. Das würde vielleicht nicht nur dazu führen, dass die von den saudischen Autoritäten als gerecht bezeichnete Auspeitschung von Raif Badawi weiter ausgesetzt wird, sondern auch den zunehmend in Erscheinung tretenden Kräften im Land helfen, die die steinernen Verhältnisse aufweichen möchten und sich Freiheit und Menschenrechte wünschen. Diese sind letztlich die Adressaten der Urteile gegen Raif Badawi und seinen Anwalt.

Bislang zeigt sich Saudi-Arabien zu keinerlei Konzessionen bereit. In den letzten Tagen, nach der neuerlichen Bestätigung des Urteils Weiterlesen

World Press Freedom Day – Ehrung für Raif Badawi

3. Mai 2015: World Press Freedom Day: Raif Badawi received three honors:
FRANCO-GERMAN JOURNALISM PRICE given by DFJP = Saarland Radio, Germany Radio, ZDF, France Télévisions, Saarbrücker Zeitung, ARTE, Robert Bosch Stiftung, German wave, Le Républicain Lorrain, Radio France, Franco-German Youth Office, Franco-German University, German Council on Foreign Relations and the Robert Schuman Foundation.

PRESS FREEDOM PRICE 2015 given by Reporters Whithout Borders Sweden.
DIFFERENCE DAY HONORARY TITLE FOR FREEDOM OF EXPRESSION given by the Brussels University Alliance.
Nina Scholz accepted the Difference Day Honorary Title in behalf of Raif Badawi at BOZAR, The Brussels Centre For Fine Arts.
Nina’s acceptance speech:

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Two medals for Raif Badawi, given by the Brussels University Alliance.

Ladies and Gentlemen,

I am deeply moved and very grateful for the honor given to Raif Badawi by the Brussels University Alliance.
Before I address you myself in the name of Raif Badawi, Weiterlesen

1000 Peitschenhiebe für die Menschenrechte

Wie die Auspeitschung des Aktivisten zum Problem für Saudi-Arabien wurde. Eine Analyse.

Plakataktion in Hamburg, Dezember 2014

Plakataktion in Hamburg, Dezember 2014

Kaum ein Name hat in den letzten Wochen einen derartigen internationalen Bekanntheitsgrad erlangt wie der Name des inhaftierten saudischen Menschenrechtsaktivisten Raif Badawi. Am 9. Januar dieses Jahres wurde er nach dem Freitagsgebet in Dschidda, wo er seit beinahe 3 Jahren eine insgesamt zehnjährige Haftstrafe absitzt, öffentlich ausgepeitscht. Es waren die ersten 50 von insgesamt 1000 Hieben.

Der weltweiten Empörung, den unzähligen Kundgebungen, die seither wöchentlich vor saudischen Botschaften von Kanada bis Istanbul, von Oslo bis Rom und von Marokko bis Pakistan stattfinden und der großen medialen Aufmerksamkeit ist es zu verdanken, dass die Fortführung der Auspeitschung in der Folge Freitag für Freitag ausgesetzt wurde. Die Hoffnung, dass Raif Badawi unter die von König Salman anlässlich seiner Thronbesteigung erlassene Amnestie fällt, Weiterlesen

Menschenrechte sind universell, ohne Wenn und Aber

Den folgenden Text hat Elham Manea mir dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Er wurde erstmals im März 2012 auf Amina Chaudris Blog veröffentlicht.
Elham Manea wurde in Ägypten als Tochter eines jemenitischen Diplomaten geboren. Sie ist Buchautorin (u.a. „Ich will nicht mehr schweigen: Der Islam, der Westen und die Menschenrechte (Herder, 2009)) und Privatdozentin an der Universität Zürich. 2016 wird elham-manea_2012_3ihr Buch „Women and Shari’a Law: The Impact of Legal Pluralism in the UK“ bei I.B.Tauris, London publiziert, eine Untersuchung von Rechtspluralismus in europäischen Gesellschaften. Elham Manea engagiert sich für einen humanistischen Islam; Menschenrechte sind für sie das höchste Gut und dürfen nicht angetastet werden. Sie ist die offizielle Stimme der Kampagne für die Freilassung Raif Badawis.

Was formt einen Menschen? Was macht ihn zu der Persönlichkeit, als die man ihn heute kennt? Manchmal frage ich mich, ob ich heute die wäre, die ich bin, wenn nicht die Augen meiner Mutter gewesen wären. Der stumme Ruf ihrer Augen wird mein ganzes Leben lang in mir widerhallen. Ohne diesen Widerhall hätte ich meinen ersten arabischen Roman صدى الأنين (Echoes of Pain) nicht geschrieben.

Wäre ich heute jemand anderes, wäre nicht die Stimme meines Vaters gewesen? Wie auch meine Mutter sprach er lange mit mir – über das Leben und den Tod, über Religion und über die Freiheit des menschlichen Willens. Als ich klein war, spielte er mit mir am liebsten Gedichte rezitieren: Er trug einen Teil eines Gedichts vor, und ich musste mit dem letzten Buchstaben ein neues beginnen. Ich liebte seine Spiele. Er war ein Philosoph, der stärker an mich glaubte, als ich selbst es tat. “Träume von den Sternen, arbeite hart, und mit ein bisschen Glück wirst Du sie einfangen”. Ich verstand nie ganz, was er in mir sah, aber mit der Zeit lernte ich, seinem Glauben an mich zu vertrauen.

Die Geschichten meiner Mutter waren ganz anders. Sie waren durch Schmerz geformt: der Schmerz, ein Mädchen zu sein, das mit acht Jahren beschnitten wurde; der Schmerz über den Fluch ihrer Schönheit, die ihren Vater dazu brachte, sie mit 13 zu verheiraten – je früher die Last auf einen anderen überwälzt war, desto besser –; auch der Schmerz von anderen Frauen, deren bittere Geschichten sie kannte. Dieser Schmerz hatte oft mit Männern zu tun. „Dem Mann kann man nicht vertrauen. Der Mann fügt nur Schmerzen zu”. Aber mein Vater war doch ein Mann! Und bei Gott, er war so wunderbar. Er war mein Held. Weiterlesen

Der Zensor am Werk

Die Wiener Stadtzeitung FALTER berichtet in ihrer Ausgabe 1-3/15 vom 14. Januar 2015 ausführlich von den Pariser Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt. Insgesamt 7 Seiten widmet der FALTER dem Thema, vom Kommentar des Herausgebers Armin Thurnher bis zum Bericht über „Austro-Islamisten“. Nur eines fehlte gut sichtbar: Eine Karikatur von Charlie Hebdo. Dieses Fehlen begründete die Redaktion mehrmals – moralisch und mit deutlicher Distanz zu den blasphemischen „Kollegen“ von Charlie Hebdo.
Ein Leserbrief von Nina Scholz, abgedruckt in der aktuellen Ausgabe des FALTER (5/15)

So ähnlich sahen Seiten der "Arbeiterzeitung" im 1. Weltkrieg aus.

So ähnlich sahen Seiten der “Arbeiterzeitung” im 1. Weltkrieg aus.

Vor 100 Jahren erfand die Arbeiterzeitung eine geniale Form des Widerstands gegen die Kriegszensur: Beanstandete Artikel wurden entfernt, aber keineswegs durch genehmere ersetzt. Weiße Spalten und Flächen zeigten den Lesern stattdessen deutlich: Hier war der Zensor am Werk. Zu dieser Form hat nun auch der Falter gegriffen, um uns die Karikaturen von Charlie Hebdo offensiv nicht zu zeigen. Da es den Zensor schon lange nicht mehr gibt, handelt es sich wohl Weiterlesen

Problem Islam

Wir haben ein Problem mit dem Islam. Wir alle, die wir in freien und offenen Gesellschaften leben wollen, unabhängig von unserer Religion oder Weltanschauung: Wir alle haben ein Problem mit dem Islam – und die mehrheitlich islamisch geprägten Länder ebenfalls.Charlie
„DEN Islam gibt es nicht!“ werden seine Verteidiger an dieser Stelle empört ausrufen. Richtig. Und genau deshalb ist es auch unsinnig, nach jedem Terroranschlag erneut zu betonen, DER Islam sei eine Religion des Friedens und der Toleranz. Das ist er offensichtlich nicht. Eine Religion ist stets das und nur (!) das, was die Anhänger aus ihr machen; es gibt nur diese real existierenden Varianten und keine von den Gläubigen abgekoppelte ideale, wahre und reine Religion.

Inmitten der Menschen, die heute gemeinhin unter der Bezeichnung „Muslime“ subsumiert werden, befinden sich viele, die ihren Glauben abgelegt haben, die also nicht mehr Muslime sind. Andere praktizieren den Glauben nur an hohen Feiertagen und lassen Gott ansonsten einen lieben Mann sein. Viele bekennende Muslime leben ihren Glauben friedlich, betrachten ihn als eine Sache zwischen sich und Gott oder allenfalls zwischen ihrer Gemeinde und Gott. Wie groß ihr jeweiliger Anteil ist, lässt sich schwer schätzen, belastbare Studien gibt es kaum.

Aber um diese drei Gruppen geht es auch nicht, Weiterlesen

1000 Peitschenhiebe für eine Meinung

Ein Kommentar von mir zu Raif Badawi und dem König Abdullah Zentrum in der Wiener Zeitung vom 16. Januar 2015:

In Saudi-Arabien wird der Blogger und Menschenrechtsaktivist Raif Badawi in Etappen zu Tode geprügelt. Bundespräsidenten Heinz Fischer hält das König Abdullah Zentrum in Wien trotzdem für eine gute Idee.Raif Badawi

Seit Juni 2012 sitzt der saudische Blogger und Menschenrechtsaktivist Raif Badawi in Haft. Im Mai 2014 wurde er zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Damit er nicht sofort stirbt, werden ihm die Hiebe zu je 50 Stück an 20 aufeinander folgenden Freitagen öffentlich verabreicht. Am vergangenen Freitag wurde mit der Exekution der barbarischen Prügelstrafe begonnen und sollten die saudischen Behörden nicht einlenken, wird er heute erneut ausgepeitscht. Sein Vergehen? Weiterlesen in der Wiener Zeitung.

Meinungsfreiheit gilt für alle!

Ein Gastbeitrag von Nina Scholz

Der heute ergangene Bescheid des Leipziger Ordnungsamtes  ist juristisch gesehen höchst bedenklich:

„Das Zeigen sogenannter Mohammed-Karikaturen sowie anderer den Islam oder andere Religionen beschimpfender oder böswillig verunglimpfender Plakate, Transparente, Banner oder anderer Kundgebungsmittel wird untersagt“

CH-Mohammed

Mohammed von Fundamentalisten überwältigt: “Es ist schwer, von Idioten geliebt zu werden.”

Man kann es durchaus für unangebracht halten, wenn  ausgerechnet LEGIDA-Anhänger  Karikaturen von Charlie Hebdo zeigen wollen und man kann gegen die Vereinnahmung der Morde von Paris für rechtspopulistische Forderungen protestieren, aber das Zeigen der Bilder per Verordnung zu verbieten,  ist ein äußerst besorgniserregender Eingriff in die Meinungsfreiheit, abgesehen davon, dass die gewählte Formulierung  die Karikaturen von Charlie Hebdo  als „böswillig verunglimpfend“ etikettiert. Auch wenn diese nicht explizit erwähnt werden, ist es vollkommen klar, dass man das Zeigen der Charlie Hebdo Arbeiten befürchtet und das Verbot sich gegen diese richtet. So betreibt das Ordnungsamt auch die andernorts immer wieder zu beobachtende Schuldumkehr, die unterstellt, jene, die  Karikaturen zeichnen oder zeigen, machten dies in böswilliger Absicht und seien für islamistische Gewalt verantwortlich oder Weiterlesen