Identitäre Diskurse

Die Debatten über Integration und Islam werden von Identitätspolitik dominiert. „Muslim“ ist dabei zur Kategorie für das Andere – oder das Eigene – geworden. Was von Rechten und von Vertreter/innen des politischen Islam betrieben wird, wird von einem Teil der Linken gefördert, indem ein vermeintlich antirassistischer Diskurs das Objekt des Rassismus immer aufs Neue reproduziert.

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Integration kann in einer modernen, pluralistischen Gesellschaft nur die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Leben bedeuten. Integration betrifft somit zum einen nicht nur Menschen, die von irgendwo auf der Welt nach Europa kommen, sondern alle, die hier leben und zum anderen integrieren sich in moderne Gesellschaften einzelne Menschen und nicht Gruppen oder Kollektive.

Volle Identität

Verfolgt man jedoch die Integrationsdebatten der letzten Jahre, muss man den Eindruck gewinnen, es ginge nur um Migranten, ja eigentlich sogar nur um Muslime, die quasi als Kollektiv integriert werden müssten. Diese Entwicklung verdanken wir nicht zuletzt einem zunehmenden ideologisch und religiös begründeten Kollektivismus. Unsere Debatten – vor allem im Bereich Integration – sind von Identitätspolitik bestimmt oder, wie es die Philosophin Isolde Charim[1] beziehungsweise der Philosoph Sama Maani nennen, von einer Ideologie der vollen Identität und das nicht nur von rechts außen.
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Alle in einen Topf

Gerne wird von „den Muslimen“ gesprochen – von solchen Pauschalisierungen profitieren aber nur die Rechten und die Islamverbände.

„Eine Beleidigung für 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt“ seien die Karikaturen von Charlie Hebdo, so ließ Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) verlauten – und viele seiner Kollegen, sowie Journalisten und Politiker auch in anderen Ländern sprachen sich ganz ähnlich aus. An diesem Satz irritiert zunächst schon mal die Sicherheit, mit der hier ein Einzelner auftritt, als sei er berechtigt, für über ein Fünftel der Menschheit sprechen zu dürfen. Woher weiß er eigentlich, dass die sich alle beleidigt fühlen? Und wie kommt diese immer wieder genannte Zahl zustande, wenn es um angeblich „DIE Muslime weltweit” beleidigende CharlieInhalte geht?
Letzterem scheint eine recht simple Rechnung zugrunde zu liegen:

Man nehme alle Bewohnerinnen und Bewohner islamischer Länder und addiere dazu die Mitglieder „muslimischer“ Minderheiten in mehrheitlich nichtmuslimischen Ländern. Will man ganz besonders akkurat sein, subtrahiert man am Ende noch die Mitglieder religiöser Minderheiten in islamischen Ländern – Voila! Immer wenn die Anzahl der Muslime einzelner Länder wie eine vermeintliche Gewissheit in die Debatte geworfen wird, so handelt es sich letztendlich ganz pauschal um alle Menschen, die selbst oder deren Vorfahren aus einem mehrheitlich islamischen Land stammen, es sei denn, Weiterlesen

Veranstaltung “Gewalt im Namen der Ehre”

 

Titelbild

Dienstag, 26. November 2013, 19 Uhr
Ort: Albert-Schweitzer-Haus, Schwarzspanierstr. 13, 1090 Wien

Podiumsgäste:                                                                 

Ahmad Mansour: Geschlechterrollen zwischen Religion und Tradition.
Moni Libisch und Ercan Nik Nafs: Das Konzept der Ehre in traditionellen Familien aus der Türkei und sein Wandel in der Diaspora – eine theoretische und praxisbezogene Reise.
Moderation: Nina Scholz

Ehre_istIm Anschluss an die Diskussion laden wir zu einem kleinen Umtrunk ein. Weiterlesen

Die Universalität der Menschenrechte

Der Forderung nach Menschenrechten in außerwestlichen Staaten – in jüngster Zeit vor allem in arabischen – wird häufig damit begegnet, diese seien eine westliche Erfindung, die sich nicht ohne weiteres auf andere Kulturen übertragen lasse. Es steht außer Frage, dass die Menschenrechte das Ergebnis einer philosophischen und rechtlichen Entwicklung sind, die in dieser Form nur in Europa und in seiner Folge in Nordamerika zum Tragen kam.[1] Aber schmälert das deren Anspruch auf universale Gültigkeit? Lässt sich eine universale Gültigkeit von einem übergeordneten Standpunkt aus begründen und gibt es einen solchen Standpunkt?

1776 wurde in Virginia die erste Verfassung der Menschheitsgeschichte angenommen, die die Menschenrechte von einer Idee in positives Recht überführte und erstmals von einer Gleichheit der Rechte aller Menschen sprach: „Alle Menschen sind von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig und besitzen bestimmte angeborene Rechte, welche sie ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen können, wenn sie eine staatliche Verbindung eingehen, und zwar den Genuss des Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit.“ Das begründete den normativen Universalismus der Menschenrechte. Die Überführung in einklagbares Recht führte dazu, Weiterlesen

Liegt Kultur in den Genen? Die türkische Regierung meint: Ja.

Culture Rules Teil II.

Der türkische Vizepremier Bekir Bozdağ (AKP) ließ vor knapp einem Monat mit der Klage aufhorchen, türkische Kinder in Deutschland würden vorwiegend in deutschen Pflegefamilien untergebracht. Zitat: „Diese Kinder sollten nicht mehr in deutsche Familien gegeben werden. Sie werden dort regelrecht christianisiert. Hier sind wir mit einem großen Drama, einer großen Assimilation konfrontiert.“ Das türkische Parlament beauftragte sogleich die hauseigene Menschenrechtskommission mit einer Untersuchung. Der Vorsitzende der Kommission, Ayhan Sefer Üstüm, sprach in diesem Zusammenhang von Menschenrechtsverstößen und bezeichnete es als nicht akzeptabel, dass türkische Pflegekinder in Familien einer „völlig anderen Kultur“ unterkämen. Im türkischen Fernsehen wird Deutschland deshalb „Nazi-Mentalität“ vorgeworfen. Besondere Angst scheint die türkische Regierung davor zu haben, dass türkische Kinder in homosexuellen Pflegefamilien untergebracht werden könnten. Deren Lebensweise sei mit der von türkischen Kindern nicht vereinbar. “Türkische Familie wollen ihre Kinder nicht an schwule oder lesbische Paare geben”, so Bekir Bozdağ. Weiterlesen