“Alles für Allah”: Warum Terroranschläge nicht die größte Gefahr sind

Für den Kurier hat Yvonne Widler ein Interview mit Nina Scholz und mir geführt:
Der Historiker Heiko Heinisch und die Politologin Nina Scholz warnen vor der Ausbreitung des politischen Islam.

„Alles für Allah. Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“, so lautet der Titel Ihres aktuell erschienenen Buches. Der erste Satz lädt auch gleich zur ersten Frage ein: „Wir haben ein Problem mit dem islamischen Mainstream.“ Was verstehen Sie hier unter Mainstream und was ist das Problem?

Nina Scholz: Wir thematisieren in unserem Buch jene Gruppierungen, die Religion nicht als Privatsache oder spirituelle Angelegenheit auffassen, sondern als ganzheitliches politisch-religiöses Konzept, das den Alltag und die Lebensweise jedes einzelnen Mitglieds der Communitys bis hinein in intime Bereiche bestimmen soll. Das beinhaltet auch eine gesetzgebende Komponente, Staat und Gesellschaft sollen nach islamischen Regeln umgestaltet werden. Entsprechende Organisationen sind in allen Einwanderungsländern aktiv, in denen muslimische Communitys existieren.

Heiko Heinisch: Wir verstehen darunter eine fundamentalistische Lesart, die sich seit 40 Jahren in den islamischen Ländern und dann von dort Richtung Europaausgebreitet und als Mainstream durchgesetzt hat.

Können Sie diese Communitys und Organisationen quantifizieren?

S: Eine Quantifizierung ist schwierig, aber Studien deuten darauf hin, dass eine signifikante Anzahl gläubiger Muslime fundamentalistischen Vorstellungen zustimmt. Muslime, die eine liberale Auffassung ihrer Religion vertreten und hier als gut integrierte Bürgerinnen und Bürger leben, fallen uns nicht weiter auf. Wahrgenommen werden oft nur jene, die versuchen, fundamentalistische Vorstellungen etwa von der Rolle der Religion in der Gesellschaft, vom Zusammenleben der Geschlechter oder von der Kindererziehung in die Gesellschaft und den öffentlichen Raum zu tragen und mit Berufung auf Religionsfreiheit Rücksicht, Akzeptanz oder, wie es oft heißt, Respekt zu fordern. Was islamistische Organisationen betrifft, können in Europa etwa 200 Organisationen der Muslimbruderschaft zugerechnet werden. In Österreich zählt dazu etwa Weiterlesen auf Kurier.at

Interview mit Nina Scholz und Heiko Heinisch. Ö1 Kontext – die Sachbuchsendung.

Interview des Österreichischen Rundfunks Ö1 mit Nina Scholz und Heiko Heinisch zum soeben erschienenen Buch „Alles für Allah – Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“, Molden Verlag 2019 (20 €, auch als eBook, 15,99 €) für die Sachbuchsendung Kontext – Sachbücher und Themen.
Sendung vom 12. April 2019. Moderation Wolfgang Ritschl.

Transkription: Paul Nellen.

Anmoderation:
Nach einem islamistischen Terrorakt folgt oft eine Distanzierung islamischer Verbände, weil Terror nicht mit dem Islam vereinbar sei. Im Mainstreamislam sei die Utopie der Islamisierung der Welt aber nach wie vor präsent und auch an einer Theologie des Dschihad würden alle großen Strömungen des Islam bis heute festhalten, meinen die Politologin Nina Scholz und der Historiker Heiko Heinisch. Die dann vorgebrachte Unterscheidung zwischen „kleinem“ Dschihad, also bewaffnetem Kampf, und “großem Dschihad“, also friedlicher innerer Anstrengungen gegen das eigene Ego, halten sie für eine Beschwichtigungstaktik. „Wir haben“, so schreiben die Autoren, „ein Problem mit dem islamischen Mainstream“. Viele Vereine und Organisationen würden Positionen des politischen Islam vertreten und hätten ganz legal den Marsch durch die Institutionen angetreten. Im Namen der Religionsfreiheit versuchten sie so, für fundamentalistische Communitys Freiräume für ein Leben nach streng islamischen Regeln durchzusetzen. Wenn in einer Demokratie die Feinde der offenen Gesellschaft zur Mehrheit werden, dann hört die Demokratie auf zu existieren. „Alles für Allah“ lautet der Titel des Buches von Nina Scholz und Heiko Heinisch, in dem sie beschreiben, wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert. Mehr dazu in einem Studiogespräch.

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„Ankara wird bei der Wahl mitreden“

Nach knapp zwei Jahren geht die Amtszeit von Ibrahim Olgun, dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, schon wieder zu Ende. Sie war geprägt von Skandalen und Machtspielen. Im Interview mit Addendum erkläre ich die Hintergründe.

Bild: Addendum

Nach etlichen Skandalen musste Ibrahim Olgun sein Amt vorzeitig zur Verfügung stellen. Der neue Präsident wird mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder, wie schon Olgun, aus der ATIB, dem österreichischen Ableger der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet oder aus der Islamischen Föderation (die islamistische Millî Görüş) kommen und es ist davon auszugehen, dass Ankara bei der Wahl in Österreich mitredet, wenn nicht sogar letztlich die Entscheidung dort getroffen wird.

Das Interview auf Addendum.org

Auch eine Muslimin kann sexuell frei sein

Mit „Der alltägliche Islamismus“ hat die Schweizer Politikwissenschaftlerin Elham Manea ein weiteres wichtiges Buch zum Verständnis des Islamismus und seiner Auswirkungen auf Gesellschaften vorgelegt. Unser Kolumnist Heiko Heinisch sprach mit ihr über den politischen Islam, das Kopftuch, Parallelgesellschaften und die ideologischen Gemeinsamkeiten von gewaltfreien Islamisten und Dschihadisten.

© Andy Ngo

 

Heiko Heinisch: Elham Manea, Ihr aktuelles Buch trägt den Titel „Der alltägliche Islamismus“. Was genau verstehen Sie unter Islamismus?

Elham Manea: Der gewaltlose Islamismus propagiert eine Ideologie des politischen Islams und zugleich eine radikale Interpretation des Islams. Sie teilt die Welt in zwei Lager: die Gläubigen und die Ungläubigen. Die Gläubigen sollen das Banner des Islams hochhalten und ihn, wenn nicht mit Gewalt, so aber doch durch die Dawa, durch missionarisches Predigen, verbreiten. Dieser Ansicht nach ist der Islam nicht lediglich eine Religion: Er ist Staat und Religion.  Die erste Form ist der Neofundamentalismus (gesellschaftlicher Islam). Er entwickelte sich in verschiedenen extremistischen Bewegungen, die im 18. Jahrhundert aufkamen und den Medina-Islam verbreiteten; sie entstanden im Wesentlichen als Gegenreaktion auf die Herausforderungen der Moderne. Ein Beispiel dafür ist der salafistische Wahhabismus oder sein südasiatisches Pendant, der Deobandi-Islam. Die zweite Form, der politische Islam, ist eine politische Ideologie, die in den Interpretationen des Neofundamentalismus wurzelt. So ist etwa die Muslimbruderschaft – der Prototyp des politischen Islamismus – in religiöser Hinsicht salafistisch geprägt. Die Pendants der Muslimbruderschaft in Südasien und der Türkei sind Jamaat-e-Islami und Milli Görüş. Alle Bewegungen, die diesem ideologischen Spektrum angehören, zielen auf Dominanz. Sie sind antidemokratisch und zutiefst totalitär und diskriminierend, denn sie streben eine Gesellschaft an, in der die Menschenrechte über religiöse Zugehörigkeit definiert werden. Das heißt, es gibt Menschen erster, zweiter und dritter Klasse.

Die Bürde des weißen Mannes

H.H.: In Ihrem Buch sprechen sie vom „essentialistischen Paradigma“, dem sich heute viele linke und liberale Intellektuelle verpflichtet fühlen. Muss man diesen Essentialismus, also die Reduktion der Identität von Menschen auf ihre religiöse Zugehörigkeit, nicht auch als Teil des islamistischen Programms betrachten?

E.M.: Das stimmt. Islamisten instrumentalisieren die Bürde des weißen Mannes, d.h. die mit dem Kolonialismus und Imperialismus verbundenen Schuldgefühle,
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Wie freundlich ist der Islam?

Der Redakteur Daniel Behrendt hat mich für sonntag – das digitale Wochenendmagazin der Mediengruppe Madsack (Nr. 3210. August 2014) interviewt. Ein Gespräch über Vorurteile, die Möglichkeit der Religionskritik, islamischen Extremismus, Scharia und vieles mehr.

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