Politiker und Menschenrechte

Manche Politiker haben augenscheinlich Schwierigkeiten mit den Grund- und Menschenrechten. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa phantasiert von einem „Supergrundrecht“ namens Sicherheit, das alle anderen Grundrechte in den Schatten stelle. Als ausgebildeter Jurist sollte er es wahrlich besser wissen.[1] Die österreichische Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) wiederum, ebenfalls Juristin, scheint die Grundprinzipien europäischer Rechtsordnungen nicht zu kennen, obwohl sie als außerordentliche Universitätsprofessorin sogar Vorlesungen gehalten hat.

Zur Vorgeschichte: Anfang Mai dieses Jahres wurde ein 14jähriger Untersuchungshäftling in der Justizanstalt Josefstadt von zwei älteren Jugendlichen in der Zelle mit einem Besenstiel vergewaltigt. Am 25. Juni machte die Wiener Wochenzeitung Falter den Fall publik. Die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig hatte dem Falter von diesem Fall und weiteren Missständen in der Jugendhaft berichtet und dabei von Folter gesprochen, die „die Jugendlichen aufgrund erbärmlicher Haftbedingungen zu erleiden hätten.“ Weiterlesen

Der Begriff Islamophobie

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel „Der Begriff Islamophobie“.

Der Terminus Islamophobie ist eine Wortneuschöpfung der angelsächsischen Soziologie der 1990er Jahre. Der Begriff operiert mit einer aus der Psychologie stammenden Definition irrationaler Angstzustände: Als Phobie oder phobische Störung wird eine krankhafte, unbegründete und anhaltende Angst vor Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten, Tieren oder Personen bezeichnet. Der erste Teil der Wortverbindung benennt den jeweiligen Auslöser dieser Angst, der in Verbindung mit dem Wort Phobie ein Krankheitsbild bezeichnet – zum Beispiel Arachnophobie (griechisch Arachno=Spinne), die Angst vor Spinnen oder Klaustrophobie (lateinisch claustrum=Käfig), die Angst vor engen Räumen. Der Auslöser einer Phobie ist demnach wertfrei; etwas, das für sich genommen nicht bedrohlich ist, aber bei der betroffenen Person Angst bis hin zu Panikattacken auslöst und deshalb in der Psychologie als Krankheitsbild beschrieben wird. Die Begriffsverbindung Islamophobie würde demgemäß eine krankhafte, weil unbegründete, Angst vor dem Islam bezeichnen. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Religionen, Weltanschauungen, Ansichten, wissenschaftliche Theorien, kurz, jegliche Denk- und Vorstellungskomplexe nicht wertfrei sind. Sie rufen naturgemäß entweder Anerkennung/Zustimmung oder Kritik/Ablehnung hervor und sind somit von vornherein Auslöser von Diskussion und Wertung. Wir sprechen zu Recht nicht von Christentumsphobie, wenn Menschen die christliche Lehre und Kirchenpolitik kritisieren oder gar bekämpfen. Die Ablehnung der Evolutionstheorie, die mit dem Versuch einhergeht, Darwins Lehre aus dem Schulunterricht zu verbannen, wird nicht mit dem Begriff Evolutionsphobie beschrieben, ebenso wenig wird Kritik an oder Angst vor dem Kommunismus oder Kapitalismus als Phobie bezeichnet, und sei sie noch so emotional vorgetragen. Weiterlesen

Respekt gegenüber einer Religion?

Immer wieder hört und liest man die Forderung nach „Respekt für den Islam“. Einzelne Muslime erheben diesen Anspruch in Foren, muslimische Vereine und Verbände oder Politiker weisen wiederholt darauf hin.[1] In einem Artikel vom Februar 2013 auf der Seite des Zentralrats der Muslime in Deutschland heißt es: „Mangelnder Respekt vor dem fremden Glauben sollte die gleichen Folgen nach sich ziehen wie Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht.“ Auch in Europa gibt es einige Journalisten und Politiker, die sich diesem Sprachgebrauch anschließen. So etwa der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, als er nach dem Tod Osama Bin Ladens 2011 befand, es gelte religiöse Kulturen zu achten und den Islam zu respektieren. Ist mangelnder Respekt vor einem Glauben das Gleiche wie die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Hautfarbe? Weiterlesen

Bilderverbot

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel „Bilderverbot“.          Im Buch selbst ohne Bilder.

Durch den Karikaturenstreit erfuhr die breitere Öffentlichkeit im Westen erstmals von einem in der islamischen Welt üblichen, religiös begründeten Bilderverbot. Im Oktober 2005 hatte die dänische Zeitung Jyllands Posten zwölf Karikaturen zum Thema „Mohammed“ abgedruckt, die in der islamischen Welt eine Welle gewalttätiger Demonstrationen mit Verletzten und Toten auslösten. Vertreter muslimischer Organisationen und Institutionen beriefen sich bei der Ablehnung der Karikaturen neben der Beleidigung religiöser Gefühle auch auf ein strenges Bilderverbot im Islam. Auch manche und mancher westliche Intellektuelle machte sich diese Sicht zu eigen. Günther Grass zum Beispiel kommentierte die Proteste lapidar mit der Bemerkung, den Zeitungsherausgebern sei bekannt gewesen, dass die Darstellung Allahs oder Mohammeds in der islamischen Welt verboten sei.[1] Ist sie das wirklich? Und wenn ja, was hat die übrige Welt mit diesem Verbot zu tun?Jesus+MohammedBereits Anfang 2002 hatte es in mehreren islamischen Ländern eine ähnliche, wenn auch weniger heftige Reaktion auf einen „Verstoß“ gegen das Bilderverbot gegeben, der in Europa allerdings kaum wahrgenommen worden war.

Weiterlesen

Schöne neue Welt

Die EU-Kommission plant eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf soziale Netzwerke[1],  EU-Forschungsprojekte befassen sich mit der möglichst lückenlosen Überwachung der europäischen Bürgerinnen und Bürger und nach dem Anschlag in Boston erschallt erneut der Ruf nach verstärkter Videoüberwachung.[2] Europa steuert sehenden Auges auf Orwells Vision des Überwachungsstaates zu. Im Zuge eines regelrechten Sicherheitswahns werden Bürgerrechte schrittweise außer Kraft gesetzt. Die Angst vor Terroranschlägen bereitet „Law and Order“-Politikern die Bühne und lässt Zweifler verstummen. Das Lobbying der „Sicherheitsindustrie“ tut ein Übriges, um uns immer mehr Überwachung durch immer ausgeklügeltere Techniken schmackhaft zu machen.

Im Zuge der bereits laufenden Vorratsdatenspeicherung wird jedes Telefongespräch registriert. Zwar wird (noch) nicht der Inhalt aufgenommen, aber wann wir wie lange mit wem telefonieren wird gespeichert, ebenso jede Seite, die wir im Internet aufrufen und jede Email, die wir versenden. Weiterlesen

Ausländerfeindlicher Artikel im Profil?

Das Profil beschwert sich über Einwanderung aus unserem Nachbarland. In der aktuellen Ausgabe Nr. 14 vom 29. März 2013 findet sich auf den Seiten 20-23 unter der Überschrift Verdrängungsbeschwerden ein Artikel, der hier in Auszügen dokumentiert wird:

Jede vierte Professorenstelle an österreichischen Universitäten ist mit einem Bewerber aus Tschechien besetzt, an der Wiener Uni geht jede dritte Neuberufung an Tschechen. Die erhoffte Internationalisierung ist oft nur eine Tschechisierung. Weiterlesen

Die Universalität der Menschenrechte

Der Forderung nach Menschenrechten in außerwestlichen Staaten – in jüngster Zeit vor allem in arabischen – wird häufig damit begegnet, diese seien eine westliche Erfindung, die sich nicht ohne weiteres auf andere Kulturen übertragen lasse. Es steht außer Frage, dass die Menschenrechte das Ergebnis einer philosophischen und rechtlichen Entwicklung sind, die in dieser Form nur in Europa und in seiner Folge in Nordamerika zum Tragen kam.[1] Aber schmälert das deren Anspruch auf universale Gültigkeit? Lässt sich eine universale Gültigkeit von einem übergeordneten Standpunkt aus begründen und gibt es einen solchen Standpunkt?

1776 wurde in Virginia die erste Verfassung der Menschheitsgeschichte angenommen, die die Menschenrechte von einer Idee in positives Recht überführte und erstmals von einer Gleichheit der Rechte aller Menschen sprach: „Alle Menschen sind von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig und besitzen bestimmte angeborene Rechte, welche sie ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen können, wenn sie eine staatliche Verbindung eingehen, und zwar den Genuss des Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit.“ Das begründete den normativen Universalismus der Menschenrechte. Die Überführung in einklagbares Recht führte dazu, Weiterlesen

Liegt Kultur in den Genen? Die türkische Regierung meint: Ja.

Culture Rules Teil II.

Der türkische Vizepremier Bekir Bozdağ (AKP) ließ vor knapp einem Monat mit der Klage aufhorchen, türkische Kinder in Deutschland würden vorwiegend in deutschen Pflegefamilien untergebracht. Zitat: „Diese Kinder sollten nicht mehr in deutsche Familien gegeben werden. Sie werden dort regelrecht christianisiert. Hier sind wir mit einem großen Drama, einer großen Assimilation konfrontiert.“ Das türkische Parlament beauftragte sogleich die hauseigene Menschenrechtskommission mit einer Untersuchung. Der Vorsitzende der Kommission, Ayhan Sefer Üstüm, sprach in diesem Zusammenhang von Menschenrechtsverstößen und bezeichnete es als nicht akzeptabel, dass türkische Pflegekinder in Familien einer „völlig anderen Kultur“ unterkämen. Im türkischen Fernsehen wird Deutschland deshalb „Nazi-Mentalität“ vorgeworfen. Besondere Angst scheint die türkische Regierung davor zu haben, dass türkische Kinder in homosexuellen Pflegefamilien untergebracht werden könnten. Deren Lebensweise sei mit der von türkischen Kindern nicht vereinbar. “Türkische Familie wollen ihre Kinder nicht an schwule oder lesbische Paare geben”, so Bekir Bozdağ. Weiterlesen

Transparenzgesetz

Die österreichische Initiative transparenzgesetz.at fordert einen freedom of information act, ein Informationsfreiheitsgesetz, das Politik und Verwaltung verpflichtet, alle die Bürger des Staates betreffenden Informationen allgemein zugänglich zu veröffentlichen: Ministerratsprotokolle, Finanzen von Bund, Ländern und Gemeinden, Planungsverfahren von Projekten, Auftragsvergaben etc. Jede Bürgerin und jeder Bürger soll ein verbrieftes Recht darauf haben, zu erfahren, wie Behörden und Verwaltung des Landes arbeiten, wo welche Entscheidungen getroffen werden und warum, welche Gelder wohin fließen und wer dafür verantwortlich zeichnet. Ein solches Gesetz würde die in Österreich grassierende Korruption eindämmen, denn unter den Augen einer interessierten Öffentlichkeit lassen sich schwarze Gelder deutlich schwerer verschieben, als es derzeit offensichtlich der Fall ist.

“Wenn die Grundlagen von Entscheidungen (etwa Planungen und Vergaben) für alle öffentlich zugänglich sind, werden Nebenabsprachen weniger wahrscheinlich, jedenfalls aber die Entscheidungsgrundlagen besser kontrollierbar: für Bürger, Medien und auch für andere staatlichen Behörden. Dies dient sowohl der demokratischen Kontrolle als auch der Korruptionsprävention”, so der Politologe Hubert Sickinger, einer der Initiatoren von transparenzgesetz.at.

Aber Österreich fehlt nicht nur ein Informationsfreiheitsgesetz, Österreich ist vielmehr einer der letzten demokratischen Staaten, in denen das Amtsgeheimnis in der Verfassung verankert ist. Weiterlesen

Culture Rules

Je nachdem, in welchen Kreisen man diskutiert, offenbaren sich unterschiedliche Ansichten über die Frage „Was ist Kultur und wie prägt sie Mensch und Gesellschaft?“. In meinem beruflichen Beschäftigungsfeld, das eher von Historiker/innen und Kulturwissenschaftler/innen geprägt ist, ist die Untersuchung kultureller Phänomene und deren Auswirkungen auf Geschichte, Menschheitsentwicklung und die verschiedenen Ausformungen von Gesellschaften wesentlicher Bestandteil der Forschung. In sozial- und politikwissenschaftlichen Instituten, insbesondere in den links und multikulturalistisch (nicht zu verwechseln mit multikulturell[1]) ausgerichteten, ist die Beschäftigung mit dem Thema häufig tabubelastet und der Vorwurf des „Kulturalisierens“ und – damit verbunden – einer rechten Gesinnung schnell zur Hand.

Einige Gedanken zu Kultur und ihrem Einfluss auf Menschen und deren Handeln.

Was ist Kultur? Sie kann zunächst als gestaltendes Handeln von Menschen, als die Gesamtheit der von Menschen hervorgebrachten Leistungen und die das Zusammenleben gestaltenden Regeln verstanden werden.[2] Diese Leistungen und Regeln bezeichnen wir aber nur dann als Kultur, wenn sie mehr sind als kurzfristige Blitze im Lauf der Geschichte; zur Kultur werden sie dadurch, dass sie innerhalb einer Gruppe tradiert und zu einem charakteristischen Bestandteil des Lebens werden. Wir wissen nicht, ob nicht irgendwer vor Urzeiten irgendwo für sich ein Rad erfunden und benutzt hat: Zum Kulturgut wurde es erst, als dieses Fortbewegungsmittel von einer Gruppe angenommen, genutzt und weitertradiert wurde.Rad Somit können wir Kultur auch als die Gesamtheit des tradierten Wissens einer Gruppe von Menschen bezeichnen. Wissen in diesem Zusammenhang meint umfassendes Wissen, also nicht nur das Wissen von Fakten und Techniken, sondern auch das Wissen vom Leben, vom Universum und dem ganzen Rest; Weiterlesen