Die Kreuzzüge

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Das Kapitel “Die Kreuzzüge”. 
Der Krak des Chevaliers in Syrien, Foto von Bernard Gagnon, CC BY-SA 4.0.

In Diskussionen und Auseinandersetzungen rund um den Islam wird regelmäßig der Geist der Kreuzzüge beschworen. Ein 900 Jahre zurückliegendes Ereignis wird dazu benutzt, die Rolle des Opfers für die islamische Welt zu reklamieren und historisch zu belegen. Das ist nicht nur deshalb eine unlautere Vorgehensweise, weil es die dunklen Flecken und das Unrecht ausblendet, die islamische Expansionen und Eroberungen über viele Völker gebracht haben, sondern weil das einseitige Aufrechnen vergangener Schuld nicht der Lösung aktueller Probleme dient, sondern eher dazu angetan ist, moralischen Druck auf die Gegenseite auszuüben. Man stelle sich vor, Ungarn, Serbien oder Griechenland würden bei jeder Verhandlung mit der Türkei die Opferkarte ziehen und permanent auf die Eroberung und Annexion durch die Osmanen hinweisen – die im Übrigen noch nicht so lange zurückliegt wie die Kreuzzüge, und zum Teil wesentlich länger andauerte.

Das Verschweigen oder Verdrängen eigener Gräueltaten korrespondiert mit der Beschreibung der arabischen und osmanischen Eroberungen als glorreich und berechtigt. Diese Haltung findet ihren Niederschlag auch darin, dass Moscheen bis zum heutigen Tag nach osmanischen und arabischen Eroberern benannt werden, womit der Zusammenhang von Religion, Eroberung und Herrschaft im islamischen Denken dokumentiert wird. Weiterlesen

Interview mit Nina Scholz und Heiko Heinisch. Ö1 Kontext – die Sachbuchsendung.

Interview des Österreichischen Rundfunks Ö1 mit Nina Scholz und Heiko Heinisch zum soeben erschienenen Buch „Alles für Allah – Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“, Molden Verlag 2019 (20 €, auch als eBook, 15,99 €) für die Sachbuchsendung Kontext – Sachbücher und Themen.
Sendung vom 12. April 2019. Moderation Wolfgang Ritschl.

Transkription: Paul Nellen.

Anmoderation:
Nach einem islamistischen Terrorakt folgt oft eine Distanzierung islamischer Verbände, weil Terror nicht mit dem Islam vereinbar sei. Im Mainstreamislam sei die Utopie der Islamisierung der Welt aber nach wie vor präsent und auch an einer Theologie des Dschihad würden alle großen Strömungen des Islam bis heute festhalten, meinen die Politologin Nina Scholz und der Historiker Heiko Heinisch. Die dann vorgebrachte Unterscheidung zwischen „kleinem“ Dschihad, also bewaffnetem Kampf, und “großem Dschihad“, also friedlicher innerer Anstrengungen gegen das eigene Ego, halten sie für eine Beschwichtigungstaktik. „Wir haben“, so schreiben die Autoren, „ein Problem mit dem islamischen Mainstream“. Viele Vereine und Organisationen würden Positionen des politischen Islam vertreten und hätten ganz legal den Marsch durch die Institutionen angetreten. Im Namen der Religionsfreiheit versuchten sie so, für fundamentalistische Communitys Freiräume für ein Leben nach streng islamischen Regeln durchzusetzen. Wenn in einer Demokratie die Feinde der offenen Gesellschaft zur Mehrheit werden, dann hört die Demokratie auf zu existieren. „Alles für Allah“ lautet der Titel des Buches von Nina Scholz und Heiko Heinisch, in dem sie beschreiben, wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert. Mehr dazu in einem Studiogespräch.

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Kampfbegriff „Islamophobie“ – „Wissenschaft“ im Dienste des politischen Islam?

Bereits zum zweiten Mal haben die österreichischen Politikwissenschaftler Farid Hafez und Enes Bayraklı den sogenannten European Islamophobia Report (EIR) herausgegeben. Auf 612 Seiten wurden für das Jahr 2016 insgesamt 27 Länderberichte alphabetisch geordnet aneinandergereiht. Die Herausgeber versuchen dabei, ihrem Konvolut einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, aber auch für den EIR 2016 trifft zu, was Gernot Bauer im profil bereits am EIR des Jahres 2015 kritisiert hatte: ein pseudowissenschaftlicher Report, der eine politische Agenda verfolgt. Mit einer seriösen wissenschaftlichen Bestandsaufnahme oder gar Forschung hat das Ganze nichts zu tun.

Das beginnt bereits bei der Definition des Untersuchungsgegenstandes „Islamophobie“. Bis heute haben weder der „Islamophobieforscher“ Hafez noch andere Vertreterinnen und Vertreter dieses Begriffs, eine konsistente, nachvollziehbare und wissenschaftlich brauchbare Definition für „Islamophobie“ geliefert.
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„Islamophobie“ und die Muslimbruderschaft in Europa

Ende Juni fand in Sarajevo ein großer „Islamophobie“-Kongress statt. Gemeinsam mit meiner Kollegin Nina Scholz gehe ich der Frage nach, wer hinter solchen Aktivitäten steht, was am Begriff „Islamophobie“ falsch ist und wer gerade deswegen an seiner Verbreitung interessiert ist.

Logo der Muslimbruderschaft - Buch-Cover: "Wahrhaft, es ist der großmütige Koran." Unter den Schwertern: "Seid bereit".

Logo der Muslimbruderschaft – Buch-Cover: “Wahrhaft, es ist der großmütige Koran.” Unter den Schwertern: “Seid bereit”.

Ende Juni fand in Sarajevo eine große Konferenz statt, die European Islamophobia Summit, deren Ziel vorgeblich darin bestand, „dem jüngsten Anstieg ausländerfeindlicher, diskriminierender und rassistischer Diskurse und Aktionen gegen die muslimische Minderheit“ entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck haben sich die Organisatoren mit großen Namen geschmückt. Neben „Islamophobie“-Forschern und -Forscherinnen aus aller Welt gaben sich auch die ehemaligen Außenminister von Großbritannien und Frankreich, Jack Straw und Bernard Kouchner, sowie der ehemaligen spanische Ministerpräsident Jose Luis Zapatero die Ehre.

„Islamophobie“?

Seit rund 20 Jahren versuchen islamistische Organisationen wie die Muslimbruderschaft und islamische Staaten wie Iran, Saudi Arabien und in den letzten Jahren auch die Türkei, den Begriff „Islamophobie“ als gleichwertige Kategorie neben Rassismus und Antisemitismus zu etablieren.

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Kopftuch und Islamismus

Medienwirksame, selbstbewusste Hijab-Trägerinnen verbergen hinter feministischen Parolen ein reaktionäres Frauen- und Männerbild und ignorieren bewusst, dass Frauen in weiten Teilen der islamischen Welt ebenso wie in Teilen der muslimischen Communities in Europa unter das Tuch gezwungen werden. Gemeinsam mit Nina Scholz plädiere ich daher  für ein Kopftuchverbot an Schulen.

Im Iran wehren sich Frauen gegen den Kopftuchzwang mit der Kampagne "My Stealthy Freedom". www.facebook.com/StealthyFreedom

Im Iran wehren sich Frauen gegen den Kopftuchzwang mit der Kampagne “My Stealthy Freedom”. www.facebook.com/StealthyFreedom

Das religiös motivierte Kopftuch beschäftigt und polarisiert. Die immer wieder von rechter Seite, etwa unlängst vom österreichischen Präsidentschaftsbewerber Norbert Hofer, erhobene Forderung nach einem generellen Verbot, braucht nicht weiter diskutiert zu werden. Ein solches wäre ein unzulässiger Eingriff in die Menschenrechte und entbehrte jeder rechtlichen Grundlage. Am Arbeitsplatz und in der Schule führt das Kopftuch als politisch-religiöses Symbol gleichwohl zu Kontroversen, die immer wieder auch vor Gerichten ausgetragen werden. Selbstbewusste Kopftuchträgerinnen, Selbstbezeichnung Hijabi, und deren Verteidigerinnen und Verteidiger wollen bisweilen im Verhüllen der Haare und manchmal sogar in der Vollverschleierung ein Zeichen von Emanzipation sehen, in jedem Fall aber sei die Verhüllung das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Hengameh Yaghoobifrah verglich den Hijab in der taz mit einer Jugendprotestmode der späten 1970er und 1980er Jahre. Hijab sei Punk.

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Free Raif Badawi

Plakataktion in Hamburg, Dezember 2014

Plakataktion in Hamburg, Dezember 2014

Seit Juni 2012 sitzt der saudische Blogger Raif Badawi nun schon im Gefängnis (siehe hier), im Mai 2014 wurde er von einem Gericht in Dschidda rechtskräftig wegen “Beleidigung des Islam” und dem Betreiben einer liberalen Website zu 10 Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von 1 Millionen Rial (rund 190.000 Euro) verurteilt. Um seinen Tod zu vermeiden soll ihm die Prügelstrafe nach dem Willen der saudischen Behörden zu je 50 Hieben an 20 aufeinander folgenden Freitagen, jeweils nach dem Freitagsgebet, verabreicht werden. Raif Badawis einziges Vergehen: Er betrieb eine liberale Website, auf der er von der prinzipiellen Gleichwertigkeit von Muslimen, Juden, Christen und Atheisten schrieb, was als Beweis für eine „Beleidigung des Islam“ gewertet wurde. Gegen diese Strafe und für seine sofortige Freilassung läuft eine weltweite Kampagne, Weiterlesen

In eigener Sache

Das Buch „Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?“ von Nina Scholz und mir ist soeben im Passagen-Verlag erschienen. Es ist unser Versuch, die Debatte um Islam und Europa vor dem Hintergrund der universalen Menschenrechte zu diskutieren.

 

 

 

 

 

 

 

In 16 Kapiteln setzen wir uns mit verschiedenen Themen und Begriffen auseinander, die diese Debatte wesentlich prägen. Auf die Probleme und Herausforderungen, die Einwanderung aus islamischen Ländern mit sich gebracht hat, haben Politik und Gesellschaft bislang keine angemessene Antwort gefunden – was zur Konsequenz hat, dass immer häufiger jenen das Feld überlassen wird, die mit billigem Populismus gegen Ausländer, Minarette und Kopftücher hetzen, aber auch denjenigen, Weiterlesen

Burka und Niqab sind Symbole des Islamismus

Plädoyer für ein Verbot der Gesichtsverschleierung
von Nina Scholz und Heiko Heinisch

Wien, Stephansplatz, Sommer 2014

Wien, Stephansplatz, Sommer 2014

Am 1. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Klage einer französischen Muslimin gegen das Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit abgewiesen. Das Tragen von Kleidung, die das Gesicht komplett oder bis auf einen Schlitz für die Augen verbirgt, bleibt in Frankreich verboten. Die Juristen unter den Kritikerinnen und Kritikern des Straßburger Urteils, wie z.B. Heinrich Schmitz und Maximilian Steinbeis, beziehen ihre Kritik vor allem auf das zentrale Argument der Urteilsbegründung: Der Europäische Gerichtshof spricht Staaten das Recht zu, die „Bedingungen des Zusammenlebens“ in der Gesellschaft festzulegen (genauer gesagt: Die Bedingungen dafür festzulegen „to live in a space of socialisation which made living together easier“). In Frankreich, so das Gericht, gehöre ein offen gezeigtes Gesicht zu diesen Bedingungen. Kritiker argumentieren, die Haltung des Gerichts sei nicht aus den Menschenrechten heraus begründbar – was jedoch notwendig sei, da das Vermummungsverbot einen Eingriff in die Menschenrechte darstelle. Dieses Argument verfängt insofern nicht, Weiterlesen

Offener Brief zu Raif Badawi

Der folgende offene Brief mit dem Ersuchen, sich für den saudischen Blogger und Menschenrechtsaktivisten Raif Badawi einzusetzen, wurde heute an folgende österreichische Politiker gesendet:
Den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, den Außenminister, die Nationalratspräsidentin, den 2. Nationalratspräsidenten, den Präsidenten des Bundesrates, die Vizepräsidentin des Bundesrates, sowie die Klubobleute von SPÖ, ÖVP, NEOS und Grünen.

Es wäre schön, wenn sich viele in vielen Ländern in ähnlicher Weise an ihre Politiker/innen wenden würden. In Österreich kann auch das König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog um Stellungnahme gebeten werden. Die ehemalige österreichische Justizministerin Claudia Bandion Ortner ist die Vizegeneralsekretärin des Zentrums: claudia.bandion@kaiciid.comoffice@kaiciid.org.

Raif Badawi

 

 

 

 

Offener Brief
Vergangene Woche, am 7. Mai 2014, wurde der saudische Blogger und Menschenrechtsaktivist Raif Badawi wegen “Beleidigung des Islam” und dem Betreiben einer liberalen Website zu 10 Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von 1 Mio Rial (rund 190.000 Euro) verurteilt. Nach jahrelangen Schikanen und mehrmaliger kürzerer Inhaftierung, führte ein religiöses „Rechtsgutachten“ des Rechtsgelehrten Abd al-Rahman al-Barrak im Juni 2012 zur Verhaftung Raif Badawis. Seither befindet er sich im Gefängnis. Seine Frau konnte mit den Kinder in den Libanon flüchten, von wo aus sie für seine Freilassung kämpft. Das „Rechtsgutachten“ attestiert Raif Badawi sowohl „Beleidigung des Islam“ als auch „Glaubensabfall“. Badawi hatte auf seiner Website die prinzipielle Gleichwertigkeit von Muslimen, Juden, Christen und Atheisten behauptet, was als Beweis für die „Beleidigung des Islam“ gewertet wurde.

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Judenfeindschaft

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel “Judenfeindschaft”

Der Begriff Antisemitismus, geprägt im 19. Jahrhundert, hat sich mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch für alle Formen der Judenfeindschaft durchgesetzt, wobei die unterschiedliche Genese in verschiedenen Regionen und Kulturen außer Acht bleibt. Zum besseren Verständnis der Unterschiede und Gemeinsamkeiten jedoch scheint für unser Thema ein Blick auf die historische Entwicklung der Judenfeindschaft in Islam und Christentum hilfreich.

Der europäische Antisemitismus hat seine Wurzeln im christlichen Antijudaismus und reicht in die ersten Jahrhunderte des Christentums zurück. Seit der Abspaltung der frühen Christen vom Judentum war das Weiterbestehen der jüdischen Religion die gelebte Infragestellung christlicher Heilsvorstellung, denn die Juden warteten weiterhin auf jenen Messias, den die Christen mit Jesus bereits gekommen sahen. Die Existenz

"Ecclesia und Synagoge", 13. Jh., Darstellungen der Siegreiche Kirche und der besiegten Synagoge mit gebrochenem Stab und verbundenen Augen vom Portal des Straßburger Münsters

“Ecclesia und Synagoge”, 13. Jh., Darstellungen der Siegreiche Kirche und der besiegten Synagoge mit gebrochenem Stab und verbundenen Augen vom Portal des Straßburger Münsters

des Judentums traf die christliche Identität in ihrem Kern. Doch die Juden waren, obgleich als verstockt und verdammt angesehen, auch, wie Ernst Gombrich einmal feststellte, integraler Teil der christlichen Erlösungsgeschichte. Sie waren „Gottes erste Liebe“ (Friedrich Heer), das Volk, mit dem Gott den ersten Bund geschlossen hatte, mit ihnen teilte man das Alte Testament.[1] In dieser theologischen Verflechtung, die Herausforderung und ständige Provokation zugleich war, liegt die Ursache dafür, dass Juden im christlichen Diskurs von Beginn an Gegenstand der Auseinandersetzung und dominantes Feindbild waren und das Christentum eine solche Fülle an judenfeindlichen Schriften hervorbrachte. Zentraler Punkt war hierbei der schon für das zweite christliche Jahrhundert belegte Vorwurf des Gottesmordes:

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