Die Franken

„Was gehen uns ‚die Franken‘ an?“ fragt der Historiker Bernhard Jussen gleich zu Beginn seines Buches, um dann auf den folgenden rund 120 Seiten auszuführen, in wieweit wesentliche Grundlagen jener Kultur, die Europa heute ausmacht und sie von anderen kulturellen Räumen unterscheidet, in den fünf Jahrhunderten fränkischer Kultur geschaffen wurden. Zunächst erklärt er fundiert und verständlich die Voraussetzungen, die „die Franken“, ihre Gesellschaft und Kultur ermöglichten und beförderten, etwa die

Siegelring mit dem Bildnis Childerichs und Aufschrift CHILDIRICI REGIS („[Besitz] des Königs Childerich“).

Siegelring mit dem Bildnis Childerichs und Aufschrift CHILDIRICI REGIS („[Besitz] des Königs Childerich“).

Randlage Galliens innerhalb des Römischen Reiches. Seit dem 3. Jahrhundert waren in dieses Gebiet fränkische Bauern und Krieger eingewandert. Anders als die Goten oder Vandalen kamen sie jedoch nicht als Eroberer, sondern als Siedler, die sich unter die autochthone romanische Bevölkerung mischten. Ihre Krieger waren als Experten im römischen Heer
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Mubarak 2.0

Zu keinem Zeitpunkt gab es den geringsten Zweifel daran, dass Abdel Fattah al-Sisi zum neuen Präsidenten gewählt werden würde. Schon seit Monaten war seine Wahl zum neuen starken Mann am Nil eine abgemachte Sache. Mit dieser Wahl ist nun die Phase der Restauration nach den Aufständen des Jahres 2011 abgeschlossen. Das Land befindet sich politisch wieder dort, wo es schon unter Mubarak stand: Es ist eine Militärdiktatur; nur der Name des führenden Generals hat gewechselt. In den vergangenen 62 Jahren, seit dem Putsch der „Freien Offiziere“ am 23. Juli 1952, wurde das Land bis

Egyptian Minister of Defense Abdel Fatah Al Sisi CC BY 2.0

Egyptian Minister of Defense Abdel Fatah Al Sisi CC BY 2.0

auf die einjährige Präsidentschaft Mohammed Mursis (30. Juni 2012 – 3. Juli 2013) stets von einem Militär geführt. Allerdings ist zu vermuten, dass al-Sisi mit dem Ergebnis der Wahl – insbesondere mit der niedrigen Wahlbeteiligung – nicht zufrieden ist. Trotz einer Verlängerung der Wahl um einen Tag, gingen nach offiziellen Meldungen nur 44,4% der Wählerinnen und Wähler zu den Urnen – die tatsächliche Beteiligung dürfte noch darunter gelegen haben. Der Aufruf zum Wahlboykott durch die Muslimbrüder, unterstützt durch entsprechende Fatwas, scheint letztlich ebenso gefruchtet zu haben wie die Einsicht, dass es bei dieser Wahl nichts zu entscheiden gab. Aber beginnen wir von vorne: Als im Januar 2011 nach Tunesien auch in Ägypten Proteste gegen die Diktatur aufflammten, waren alle politischen Beobachter hoffnungsvoll. Der Begriff des Arabischen Frühlings war in aller Munde. Die Proteste gegen Mubarak wurden Weiterlesen

Die Integrationsdebatte aus menschenrechtlicher Sicht

Ein Vortrag, gehalten auf einer Veranstaltung der SPÖ-Donaustadt am 25. März 2014, „Menschenrechte im Spannungsfeld von Toleranz und gelebter religiöser Tradition in Europa“

Wenn wir über Integration reden, reden wir in den allermeisten Fällen auch über Islam und über Muslime. Auch wenn das Thema einer Veranstaltung oder einer Fernsehdebatte allgemein formuliert ist, geht es fast immer um den Islam. Achten Sie beim Lesen Ihrer Zeitung einmal darauf, welches Foto einen Artikel zum Thema „Integration“ illustriert. In der Regel werden Sie darauf eine Frau mit Kopftuch oder eine Moschee sehen. Wir alle, Medienproduzenten wie Medienkonsumenten, sehen das Thema Integration offensichtlich eng mit dem Islam verbunden.SPÖ-Donaustadt

Mit keiner anderen Gruppe von Migranten gibt es ähnliche Probleme und Konflikte, gegenüber keiner anderen Gruppe sind die Vorbehalte innerhalb der Gesellschaft so massiv. Auf diesen Sachverhalt gibt es zwei Reaktionen, die die öffentliche Debatte dominieren: Weiterlesen

Dubai-Boykott

„Genießen Sie preisgünstig märchenhaften Urlaub in Dubai“„Wenn Sie im Urlaub Dubai entdecken, entführt Sie die Reise in die als sagenhaft reich geltenden Emirate am Persischen Golf und in eine Welt, in der orientalische Märchen wahr zu werden scheinen. „So heißt es auf der Website von Thomas Cook. Mit „Sonne und karibischen Temperaturen jeden Tag, herrlich die Strände und das Meer, Luxus in den Hotels, arabisches Ambiente in absolut toleranter Atmosphäre und kaum vorhandener Kriminalität“ wirbt die Agentur reiseziel-dubai.de.Dubai2 Wer das Internet mittels der Stichworte „Reise Dubai“ durchstöbert, kann sich vor Superlativen gar nicht retten: Die höchsten Wolkenkratzer, die längsten Strände, die größten Shopping Malls, und obendrein Skifahren mitten in der Wüste. Luxus, Freundlichkeit, Modernität und Weltoffenheit wohin man blickt. Wer nicht weiß, wohin mit seinem Geld, Weiterlesen

Saudischem Blogger droht die Todesstrafe

Den saudischen Blogger, Menschenrechtsaktivisten und Betreiber einer liberalen Website, Raif Badawi, erwartet wegen Abfall vom Glauben die Todesstrafe.[i] Raif Badawi gründete im Jahr 2006 das Webforum Freie Saudische Liberale (Free Saudi Liberals), um ernsthafte Diskussionen über liberale Ideen, religiöse Autoritäten und die wahhabitische Interpretation des Islam zu führen. Die Website entwickelte sich rasch zu einer wichtigen Plattform für säkulare und liberal denkende Männer und Frauen Saudi-Arabiens, auf der unter anderem Diskussionen zum Verhältnis von Politik und Religion angestoßen wurden. Nach und nach wurden auch die Behörden aufmerksam. Ab 2008 wurde Raif Badawi mehrmals festgenommen und musste seine Website immer wieder vom Netz nehmen; 2009 belegten ihn die Behörden mit einem Reiseverbot und froren seine Konten ein. Davon ließ er sich aber nicht einschüchtern, sondern stellte die Seite jedes Mal neuerlich online. Raif BadawiDie Revolten in mehreren arabischen Staaten verstärkten die Nervosität der Regierung Saudi-Arabiens, und Dissidenten gerieten vermehrt ins Fadenkreuz der Behörden – so auch Raif Badawi. Im Dezember 2011 wurde Anklage gegen ihn erhoben,

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Schule ohne Rassismus?

In einem Artikel in der Welt kritisierte Alan Posener unlängst das aktuelle Themenheft „Rassismus erkennen & bekämpfen“ des Netzwerks Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Der Geschäftsführer des Netzwerks, Eberhard Seidel, reagierte auf diese Kritik mit einem längeren Kommentar. Als ich ihn darauf hinwies, dass seine Ausführungen an der Kritik Poseners vorbeigehen, bot er mir an, mir dieses Themenheft (und einige weitere) zuzusenden, damit ich die inkriminierten Stellen im Zusammenhang lesen und mir selbst ein Bild machen könne. Das habe ich getan. Weiterlesen

Das antiamerikanische Ressentiment

Neben Israel existiert nur ein weiterer Staat, bei dem Regierungspolitik und Bevölkerung umstandslos in eins gesetzt werden: Die Vereinigten Staaten von Amerika. Wie sich in den aktuellen Debatten um die Abhörprogramme der NSA neuerlich zeigt, kippt die durchaus berechtigte Kritik an der US-Außenpolitik oder den US-Geheimdiensten immer wieder schnell in ein Vorurteil gegen DIE Amerikaner im allgemeinen um. So schreibt etwa Jakob Augstein auf S.P.O.N.: „Die Amerikaner überwachen rund 500 Millionen deutsche Datenverbindungen im Monat, sie behandeln uns wie einen Feind.“[1] Dass Die Amerikaner unsere Feinde sind – mit dieser Sicht steht Jakob Augstein nicht alleine, dieses Ressentiment hat eine große einende Kraft, die Menschen von links bis rechts zusammenführt. Wirft man einen Blick in die einschlägigen Foren, geht es kaum noch um NSA und PRISM, sondern um die „Amis“, die wahlweise als „bösartig“, „barbarisch“, „dekadent“, „oberflächlich“ oder „kulturlos“  und „dumm“ beschrieben werden – meist alles zugleich. Das berüchtigte Zitat von Georges Clemenceau „Amerika, das ist die Entwicklung von der Barbarei zur Dekadenz ohne den Umweg über die Kultur“ wird allenthalben gerne und mit genussvoller Süffisanz zitiert. Weiterlesen

Politiker und Menschenrechte

Manche Politiker haben augenscheinlich Schwierigkeiten mit den Grund- und Menschenrechten. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa phantasiert von einem „Supergrundrecht“ namens Sicherheit, das alle anderen Grundrechte in den Schatten stelle. Als ausgebildeter Jurist sollte er es wahrlich besser wissen.[1] Die österreichische Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) wiederum, ebenfalls Juristin, scheint die Grundprinzipien europäischer Rechtsordnungen nicht zu kennen, obwohl sie als außerordentliche Universitätsprofessorin sogar Vorlesungen gehalten hat.

Zur Vorgeschichte: Anfang Mai dieses Jahres wurde ein 14jähriger Untersuchungshäftling in der Justizanstalt Josefstadt von zwei älteren Jugendlichen in der Zelle mit einem Besenstiel vergewaltigt. Am 25. Juni machte die Wiener Wochenzeitung Falter den Fall publik. Die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig hatte dem Falter von diesem Fall und weiteren Missständen in der Jugendhaft berichtet und dabei von Folter gesprochen, die „die Jugendlichen aufgrund erbärmlicher Haftbedingungen zu erleiden hätten.“ Weiterlesen

Respekt gegenüber einer Religion?

Immer wieder hört und liest man die Forderung nach „Respekt für den Islam“. Einzelne Muslime erheben diesen Anspruch in Foren, muslimische Vereine und Verbände oder Politiker weisen wiederholt darauf hin.[1] In einem Artikel vom Februar 2013 auf der Seite des Zentralrats der Muslime in Deutschland heißt es: „Mangelnder Respekt vor dem fremden Glauben sollte die gleichen Folgen nach sich ziehen wie Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht.“ Auch in Europa gibt es einige Journalisten und Politiker, die sich diesem Sprachgebrauch anschließen. So etwa der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, als er nach dem Tod Osama Bin Ladens 2011 befand, es gelte religiöse Kulturen zu achten und den Islam zu respektieren. Ist mangelnder Respekt vor einem Glauben das Gleiche wie die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Hautfarbe? Weiterlesen

Schöne neue Welt

Die EU-Kommission plant eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf soziale Netzwerke[1],  EU-Forschungsprojekte befassen sich mit der möglichst lückenlosen Überwachung der europäischen Bürgerinnen und Bürger und nach dem Anschlag in Boston erschallt erneut der Ruf nach verstärkter Videoüberwachung.[2] Europa steuert sehenden Auges auf Orwells Vision des Überwachungsstaates zu. Im Zuge eines regelrechten Sicherheitswahns werden Bürgerrechte schrittweise außer Kraft gesetzt. Die Angst vor Terroranschlägen bereitet „Law and Order“-Politikern die Bühne und lässt Zweifler verstummen. Das Lobbying der „Sicherheitsindustrie“ tut ein Übriges, um uns immer mehr Überwachung durch immer ausgeklügeltere Techniken schmackhaft zu machen.

Im Zuge der bereits laufenden Vorratsdatenspeicherung wird jedes Telefongespräch registriert. Zwar wird (noch) nicht der Inhalt aufgenommen, aber wann wir wie lange mit wem telefonieren wird gespeichert, ebenso jede Seite, die wir im Internet aufrufen und jede Email, die wir versenden. Weiterlesen