Muslimischer Antisemitismus

Wenn muslimischer Antisemitismus erwähnt wird, lässt die Reaktion meist nicht lange auf sich warten: „Wir“ sollten uns lieber um unseren eigenen Antisemitismus kümmern. Das verhindert nicht nur jede vernünftige Debatte, sondern exkludiert Muslime. Sie sind offensichtlich nicht Teil dieses „Wir“, schreibt unser Kolumnist Heiko Heinisch.
Die Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Berliner TU, Juliane Wetzel, behauptete unlängst, es gebe „keinen muslimischen Antisemitismus“, sondern nur „einen Antisemitismus unter Muslimen“, was den Publizisten Henryk Broder zu einem seiner bissigen, aber treffenden Kommentare reizte. Auch in den sozialen Medien geht es bei diesem Thema immer wieder heiß her. Wer über muslimischen Antisemitismus reden will, wird umgehend in Diskussionen über den „eigenen“ europäischen Antisemitismus verwickelt. Hinweise auf muslimischen Antisemitismus werden schnell mit dem Hinweis auf den Antisemitismus der Rechten gekontert (interessanterweise nie mit Hinweisen auf linken Antisemitismus) oder als rechtes Ablenkungsmanöver denunziert.

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Was der Islam Europa gebracht hat – und was nicht

Nach der Aussage Horst Seehofers zum Islam fühlen sich wieder viele bemüßigt, die wichtige Rolle des Islam für die Entwicklung Europas hervorzuheben. Doch der Einfluss des Islam auf die europäische Kultur war längst nicht so bedeutend, wie viele meinen, und apologetische Darstellungen sind in der Auseinandersetzung um Islam und Europa wenig hilfreich.

Gemeinfrei

 

Nach den Äußerungen Horst Seehofers zum Islam, häufen sich die Artikel, in denen die wichtige Rolle hervorgehoben wird, die der Islam einst im Mittelalter für die Entwicklung Europas gespielt habe. So sagt etwa der Mittelalterhistoriker Michael Borgolte gegenüber dem Deutschlandfunk: „Es waren Araber und Syrer muslimischen Glaubens, die große Teile der Werke antiker griechischer Naturwissenschaft und Philosophie retteten, übersetzten und kommentierten und diese damit der lateinischen Welt des westlichen Europas überlieferten.“ Und Mouhanad Khorchide wird in der Tagespost mit den Worten zitiert: „Die Muslime retteten das antike griechische Erbe vor dem Vergessen und bereicherten es. Darauf konnte die Renaissance aufbauen.“

Falsches bleibt falsch

Vor drei Jahren führte ich im European mit dem Islam- und Politikwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza eine Debatte zu eben diesem Thema, nachdem er in einem Artikel behauptet hatte, ohne Orient gäbe es keinen Okzident. Den meisten Proponenten dieser Ansicht geht es vor allem um eines: Sie wollen zeigen, dass der Islam immer schon zu Europa gehörte und Europa erst zu dem machte, was es heute ist, um über diesen argumentativen Umweg die Existenzberechtigung von Muslimen in Europa zu beweisen. Deren Existenzberechtigung bedarf jedoch keines Beweises dieser Art, sondern ergibt sich schlicht aus den Menschenrechten, die die Grundlage aller europäischen Verfassungen darstellen.

Zudem ist die zugrunde liegende Behauptung, das Europa wie wir es kennen verdanke sich dem Islam, ein Mythos.

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Interview zur Rolle der Moscheen

Herbert Gnauer hat mit mir im Kitchen Talk für Idealism Prevails über die Wiener Moschee Studie, problematische Moscheeverbände wie die Islamische Föderation (Milli Görüs (deutsch: Nationale Sicht)) und Integration gesprochen.
Politisch, islamistisch und/oder nationalistisch orientierten Organisationen den Status als Religionsgemeinschaften zuzugestehen und sie damit unter dem Schutzschild der Religionsfreiheit agieren zu lassen, halte ich für einen Fehler.
Das gesamte Interview (72 Minuten):

Facebook und die Meinungsfreiheit

Facebook ist mit etwa 2 Milliarden monatlich aktiven Nutzern (Quelle: Wikipedia, Stand: Juni 2017) das mit Abstand Reichweiten stärkste soziale Netzwerk und somit auch DIE öffentliche Plattform für politische Debatten. Für Äußerungen auf Facebook sollten daher zwingend die gleichen Regeln gelten wie für solche im analogen Leben findet unser Kolumnist Heiko Heinisch.

Du bist vorübergehend für das Posten gesperrt.

Mit dieser Meldung machen immer mehr Menschen auf Facebook Bekanntschaft. Verbunden ist sie mit einer Angabe über die Dauer der Sperre (zwischen einem und 30 Tagen) und der Warnung, „dass das wiederholte Posten von Inhalten, die auf Facebook nicht erlaubt sind, dazu führen kann, dass das entsprechende Konto dauerhaft gesperrt wird“, also der Androhung einer lebenslangen Verbannung. Noch häufiger werden von Facebook einzelne Postings gelöscht, weil diese nicht den „Gemeinschaftsstandards“ entsprochen hätten. Eine Möglichkeit zum Widerspruch, zur Verteidigung, sucht man vergeblich, die Kommunikation mit Facebook ist in aller Regel eine einseitige: Facebook – Ankläger und Richter in einem – verlautbart sein Urteil, die User/innen haben dieses schweigend zur Kenntnis zu nehmen.

Die Gemeinschaftsregeln

Nun sollte man bei diesem Vorgehen erwarten, dass die Regeln über erlaubte und verbotene Postings, die sogenannten Gemeinschaftsstandards, in einfacher und verständlicher Form dargelegt und für die User/innen nachvollziehbar durchgesetzt werden. Ersteres ist der Fall. Aber mit der Nachvollziehbarkeit ihrer Anwendung ist es nicht weit her. Entweder meint Facebook mit dem Geschriebenen anderes als gemeinhin üblich oder jene, die über Löschungen und Sperren zu entscheiden haben, halten sich nicht an die eigenen Regeln.
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Die Moscheestudie und die Glaubensgemeinschaft

Nach Erscheinen der Studie „Die Moschee im Integrationsprozess“ von Imet Mehmedi und mir, für die unter anderem Freitagspredigten beobachtet und aufgenommen wurden, blieben Reaktionen aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) nicht aus. Sie fallen vor allem dadurch auf, dass sie dem Inhalt der Studie ausweichen. Eine Replik.
Einen Tag nach der Präsentation der Studie ging die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) mit einer Presseaussendung an die Öffentlichkeit. Einen Tag später meldete sich auch die Islamische Föderation Wien (Milli Görüş) zu Wort, deren Moscheen zu jenen sechs der untersuchten 16 Moscheen gehören, die sich aktiv der Integration von Muslim/innen entgegenstellen. Keine der beiden Erklärungen geht auf den Inhalt der Studie und die von unseren Mitarbeitern beobachteten und aufgezeichneten Predigten in Wiener Moscheen ein.

Unbefriedigende Reaktionen

Stattdessen bestreiten beide Erklärungen die Wissenschaftlichkeit der Studie und sehen in dieser einen generalisierenden Angriff auf Muslime. Es fallen Begriffe wie „dubiose Publikation“, „Auftragsstudie“ und „politischer Auftrag“. Zudem kritisieren sie, dass die Auswahl der Moscheen nicht repräsentativ sei – eine Tatsache, die in der Studie selbst mehrmals erwähnt wird und auch bei der Präsentation betont wurde. Das Attribut „nicht repräsentativ“ ist aber, anders als hier nahegelegt wird, kein Zeichen für Unwissenschaftlichkeit.

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Islamistische Netzwerke und wie sie arbeiten

Mit „Islamistische Drehscheibe Schweiz. Ein Blick hinter die Kulissen der Moscheen“ hat die tunesisch-schweizerische Wissenschaftlerin Saïda Keller-Messahli, Gründerin des Forums für einen fortschrittlichen Islam und Trägerin des Menschenrechtspreises der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, ein wichtiges Buch vorgelegt, in dem sie die islamistischen Akteure schonungslos beim Namen nennt.

Seit vielen Jahren schon ist sie eine der wichtigsten europäischen Stimmen, die vor der Ausbreitung des Islamismus warnen und versuchen, auf jene Netzwerke hinzuweisen, die NGO’s, Parteien und andere Organisationen infiltrieren und auf diesem Weg „die Saat des Hasses gegen die säkulare und demokratische Wertegemeinschaft streuen.“ (Seite 15), auch wenn der Weg der dahinterstehenden Gruppierungen der gewaltfreie, legalistische ist. Die NZZ am Sonntag bezeichnete sie unlängst als „eine der mutigsten Frauen der Schweiz“. Der Anlass: Saïda Keller-Messahli, Gründerin des Forums für einen fortschrittlichen Islam und Trägerin des Menschenrechtspreises der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, hat sich vor wenigen Tagen mit einem Buch zu Wort gemeldet. In „Islamistische Drehscheibe Schweiz. Ein Blick hinter die Kulissen der Moscheen“ nennt sie Organisationen, Moscheen und Imame beim Namen. Der Titel des Buches möge nicht täuschen, denn die von Keller-Messahli beschriebenen Strukturen betreffen nicht ein einzelnes Land – sie betreffen alle europäischen Länder.

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Identitäre Diskurse

Die Debatten über Integration und Islam werden von Identitätspolitik dominiert. „Muslim“ ist dabei zur Kategorie für das Andere – oder das Eigene – geworden. Was von Rechten und von Vertreter/innen des politischen Islam betrieben wird, wird von einem Teil der Linken gefördert, indem ein vermeintlich antirassistischer Diskurs das Objekt des Rassismus immer aufs Neue reproduziert.

CC0 Public Domain

Integration kann in einer modernen, pluralistischen Gesellschaft nur die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Leben bedeuten. Integration betrifft somit zum einen nicht nur Menschen, die von irgendwo auf der Welt nach Europa kommen, sondern alle, die hier leben und zum anderen integrieren sich in moderne Gesellschaften einzelne Menschen und nicht Gruppen oder Kollektive.

Volle Identität

Verfolgt man jedoch die Integrationsdebatten der letzten Jahre, muss man den Eindruck gewinnen, es ginge nur um Migranten, ja eigentlich sogar nur um Muslime, die quasi als Kollektiv integriert werden müssten. Diese Entwicklung verdanken wir nicht zuletzt einem zunehmenden ideologisch und religiös begründeten Kollektivismus. Unsere Debatten – vor allem im Bereich Integration – sind von Identitätspolitik bestimmt oder, wie es die Philosophin Isolde Charim[1] beziehungsweise der Philosoph Sama Maani nennen, von einer Ideologie der vollen Identität und das nicht nur von rechts außen.
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“Der Islam wird nach anderen Kriterien beurteilt”

Yvonne Widler hat mich für den Kurier interviewt. Wir sprachen über Islam und Europa, “Islamophobie” und politischen Islam, Apkapselungstendenzen islamischer Vereine, Kopftuch und Integration.

KURIER: Sie haben den erst kürzlich erschienenen European Islamophobia Report 2016  gemeinsam mit ihrer Kollegin Nina Scholz analysiert und kritisieren diesen scharf. Was genau stört Sie daran?

Heiko Heinisch: Die österreichischen Politikwissenschaftler Farid Hafez und Enes Bayraklı, die Herausgeber, haben einen pseudowissenschaftlichen Report vorgelegt, der eine politische Agenda verfolgt. Mit einer seriösen wissenschaftlichen Bestandsaufnahme oder gar Forschung hat das Ganze nichts zu tun. Islamophobie wird hier als eine Art Kampfbegriff verwendet.

Was unterstellen Sie den Verfassern?

Mit dem Begriff „Islamophobie“, für den es bis heute keine brauchbare Definition gibt, wird versucht, zwei Phänomene in einem Begriff zusammenzufassen: Feindschaft gegenüber allen Muslimen und Religionskritik. Er differenziert nicht zwischen Ressentiment beladener Hetze und der Aufklärung verpflichteter Kritik an der Religion. Kritische Geister sollen offenbar in die gleiche Ecke gestellt werden wie Rechtspopulisten, Rechtsradikale und Rassisten.

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Der Islam muss seinen Gott unter Kontrolle bringen

Darf man den Islam kritisieren? Man darf nicht, man muss, lautet die Antwort Samuel Schirmbecks. Meine Rezension des Buches “Der islamische Kreuzzug” von Samuel Schirmbeck für das Standard-Album.

Der Islam habe, so der im Buch zitierte Philosoph Abdennour Bidar, in seiner Mitte ein Monster hervorgebracht, und ohne aufgeklärte Islamkritik wird er weitere produzieren. Schirmbeck lebte und arbeitete zehn Jahre in Algier, baute dort 1991 das ARD-Studio auf und berichtete aus dem gesamten Maghreb. Er erlebte den Ausbruch des algerischen Bürgerkrieges, dem 150.000 Menschen zum Opfer fielen, die Jahre des Terrors, in denen Frauen mit Säure verätzt oder erschossen wurden, weil ihre Kleidung zu viel Haut unbedeckt ließ oder weil sie kein Kopftuch trugen. Er erlebte die mörderische Jagd auf Intellektuelle, auf Journalistinnen und Journalisten. Er beobachtete die schleichende Islamisierung der Gesellschaften, die Ausbreitung eines religiösen Obskurantismus, der alle unter Druck setzte, die ein Leben jenseits religiöser Regeln wollten. Sein Resümee: Der Islam sollte endlich seinen Gott unter Kontrolle bringen.
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„Reis“ – Hagiographie des Sultans

Der türkische Regisseur Hüdaverdi Yavuz hat das Leben Erdoğans verfilmt. Die Heiligenverehrung mit dem programmatischen Titel „Reis“ (Kopf, Chef, Anführer) läuft seit 4. März, gerade rechtzeitig vor dem anstehenden Verfassungsreferendum in der Türkei, auch in deutschsprachigen Kinos. Ich habe mir den Film angesehen.

H.E. Recep Tayyip Erdogan, Prime Minister of Turkey, United Nations Alliance of Civilizations (UNAOC) Rio Forum – von UNAOC – unter CC-BY-ND-NC-2.0

Zu zweit unter Türken, das war der Eindruck, der sich einem Freund und mir beim Besuch des türkischen Films Reis in einem großen Wiener Kinocenter aufdrängte. 20 Minuten vor Filmstart war die Vorführung nahezu ausverkauft. Wir konnten gerade noch zwei Randplätze in der zweiten Reihe ergattern. Österreichisch-türkische Familien, aber auch größere Gruppen Jugendlicher, die Mehrzahl der Zuschauerinnen mit Kopftuch, füllten den Saal schließlich bis auf den letzten Platz.
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