Meinungsfreiheit light – aus Rücksicht auf Terror?

Ein Gastbeitrag von RA Heinrich Schmitz

Ein bekloppter Amerikaner macht ein selten schlechtes Video über den Propheten Mohammed. In verschiedenen Ländern werden westliche Botschaften angegriffen. Der amerikanische Botschafter in Libyen und drei seiner Mitarbeiter werden ermordet.

Mit großer Begeisterung – und ohne die Richtigkeit auch nur im leisesten anzuzweifeln – wird dem Urheber des Videos, auch von westlichen Politikern, die Schuld oder Mitschuld an den Anschlägen zugeschrieben. Das Video enthält keinerlei Aufruf zur Gewalt.

Wie schön, wenn man einen Schuldigen hat, der von den eigenen Fehlern der Vergangenheit ablenkt und einem zusätzlich noch die Chance gibt, vielleicht nebenbei noch ein kleines bisschen Zensur einzuführen.

Es gab schon Terroranschläge vor diesem Video und es wird sie nachher geben. Es gab sogar schon Terroranschläge, als es noch gar kein Internet und keine Videos gab.

Wenn das Video von Extremisten als angebliche Ursache für die Anschläge missbraucht wird, dann ist das genauso glaubwürdig, wie die “Rechtfertigung” des Anschlags auf die deutsche Botschaft im Sudan. Da ist nämlich angeblich die Kanzlerin Merkel dran schuld, weil sie den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard im Jahre 2010 mit dem Potsdamer Medienpreis geehrt hat. Im Jahr 2010 übrigens. Also vor ein paar Tagen sozusagen. Das ist alles grober Unfug und es ist verwunderlich, dass dieser Unfug in den Medien auch noch ständig als Erklärung oder sogar Rechtfertigung für Terrorakte übernommen wird.

Angriffe auf Diplomaten und Botschaften müssen von den gastgebenden Ländern mit allen Mitteln verhindert werden, ohne Wenn und Aber. Das muss man allerdings auch wollen. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist aber, dass unsere westlichen Politiker, die für die westlichen Demokratien essentielle Meinungsfreiheit auch ohne Wenn und Aber verteidigen müssen. Es z.B. ist nicht nachvollziehbar, warum irgendjemand, außer dem Produzenten selbst, glaubt, er müsse sich für dieses miese Filmchen entschuldigen. Oder warum z.B. von der amerikanischen Regierung verlangt wird, sie müsse sich entschuldigen.

Die Meinungsfreiheit macht es möglich, dass jede Art von Meinung geäußert werden darf. Auch falsche, geschmacklose, abstruse und anti-religiöse. In Deutschland gibt es zwar ein paar vom Verfassungsgericht gebilligte Einschränkungen im Hinblick auf die unrühmliche Geschichte, aber in Amerika eben nicht.

Statt dieses fundamentale Recht zu verteidigen kommt unser Außenminister Guido Westerwelle auf einen ganz anderen Gedanken. Er hat ein entschiedenes Vorgehen der deutschen Justiz gegen Unterstützer des Anti-Islam-Videos “Innocence of Muslims” gefordert. “Wenn Rechtsradikale das Video im Internet auf ihren Seiten verbreiteten, müssten die Behörden im Rahmen ihrer rechtsstaatlichen Möglichkeiten mit aller Härte dagegen vorgehen”, sagte Westerwelle am Samstag im thüringischen Saalfeld auf einem Landesparteitag der Thüringer Liberalen.

Tja, “im Rahmen ihrer rechtsstaatlichen Möglichkeiten” ist das nicht so einfach. Wenn Herr Westerwelle sich den 14-minütigen Trailer einmal angesehen und auch aus seiner anwaltlichen Vergangenheit noch ein paar Restkenntnisse des deutschen Strafrechts hat, wird er schnell erkennen, dass der Inhalt des Videos nicht dazu geeignet ist, den Staatsanwalt zu bemühen. Die Darstellung ist zwar geschmacklos, aber locker von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und damit auch die Verbreitung des Videos.

Richtig blöd wird es aber jetzt, weil ausgerechnet rechte Parteien wie die PROs ebenfalls das Video nutzen, um sich als aufrechte Streiter für die Meinungsfreiheit aufzuspielen. So hat halt jeder sein Vergnügen an diesem billigen Mist.

Seltsam ist allerdings, dass westliche Politiker in diesem Zusammenhang überhaupt über Verbote nachdenken, statt die Meinungsfreiheit einfach mal offensiv zu verteidigen.

Warum geht niemand hin und erklärt im Sinne Voltaires ” Das ist ein Scheißfilm, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass man bei uns solche Scheißfilme drehen und veröffentlichen kann”?

Westerwelle steht doch auch zu recht zu seiner Homosexualität, ohne auf die Islamisten Rücksicht zu nehmen.

Stattdessen wird im Internet diskutiert, ob man nicht vielleicht doch besser die Meinungsfreiheit “ein bisschen” einschränken sollte, um solche Terrorakte in Zukunft zu verhindern. Ernsthaft!

Na Bravo, kann ich da nur sagen. Peter Struck glaubte noch die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen und jetzt wollen wir die Grund- und Menschenrechte durch religiöse oder auch nur vorgebliche religiöse Fanatiker beschneiden lassen? Wo sollte das hinführen?

Erlaubte Meinungsäußerungen sind nur noch die, die keine Terrorakte auslösen? Im Umkehrschluss, alles was mit einem Terrorakt in Verbindung gebracht wird, war verboten? Wer soll das bestimmen? Brauchen wir wieder ein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das die inhaltliche Lenkung der Presse, der Literatur, der Theater, des Films, der Musik, des Rundfunks, Fernsehens und natürlich des Internets kontrolliert? Nur so kann’s gehen. Und es wären sicherlich nicht nur die Rechten, die an einer derartigen Einschränkung der Meinungsfreiheit Gefallen finden würden.

Nein und nochmal nein. Wir dürfen in dieser Frage keinen Millimeter vor den Extremisten (hindu)kuschen. Wenn wir bei jeder Meinungsäußerung, bei jedem Film, jeder Show und jedem Beitrag auf die Empfindlichkeiten aller denkbaren Religionen, Ideologien und sonstigen persönlichen Meinungen Rücksicht nehmen wollten, dann wäre gar keine Meinungsäußerung mehr möglich. Die Erkämpfung der Meinungsfreiheit hat in Europa viele Menschenleben gekostet. Es wäre eine Katastrophe, wenn man jetzt damit anfinge, Freiheitsrechte unter dem Eindruck von Terror einzuschränken.

Diese Freiheit muss verteidigt werden.

Der Artikel erschien zuerst auf: http://wallasch.twoday.net/topics/HEINRICH+SCHMITZ/

 

Ein Gedanke zu „Meinungsfreiheit light – aus Rücksicht auf Terror?

  1. Meinungfreiheit heißt natürlich dennoch nicht, dass darunter Beleidigungen fallen, die nur um ihrer selbst oder schlimmer, mit einem Zweck versehen, gesagt werden. Aber grundsätzlich, ja, vor religiösen Gefühlen zurück zu schrecken ist nur dumm.

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