In eigener Sache

Das Buch „Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?“ von Nina Scholz und mir ist soeben im Passagen-Verlag erschienen. Es ist unser Versuch, die Debatte um Islam und Europa vor dem Hintergrund der universalen Menschenrechte zu diskutieren.

 

 

 

 

 

 

 

In 16 Kapiteln setzen wir uns mit verschiedenen Themen und Begriffen auseinander, die diese Debatte wesentlich prägen. Auf die Probleme und Herausforderungen, die Einwanderung aus islamischen Ländern mit sich gebracht hat, haben Politik und Gesellschaft bislang keine angemessene Antwort gefunden – was zur Konsequenz hat, dass immer häufiger jenen das Feld überlassen wird, die mit billigem Populismus gegen Ausländer, Minarette und Kopftücher hetzen, aber auch denjenigen, die unter Einsatz der „Islamophobie“-Keule jegliche Auseinandersetzung und Kritik abwehren. Menschenrechte werden gegeneinander ausgespielt; Religionsfreiheit gegen Meinungsfreiheit und andere Grundrechte in Stellung gebracht. Verfechterinnen und Verfechter einer multikulturalistischen Doktrin bestreiten oder relativieren reflexartig jedes Problem und versuchen, Kritik an Islam und Tradition in die rechte Ecke zu rücken. Rechte Gruppierungen hingegen – fast schon eine Ironie der Geschichte – gerieren sich als Vorkämpfer von Menschenrechten und sprechen Musliminnen und Muslimen im selben Atemzug das Recht auf Religionsfreiheit ab. Das vorliegende Buch versucht insofern einen Perspektivenwechsel, als es das Augenmerk auf die universalen Menschenrechte richtet und damit auf einen Konflikt, der häufig in den Hintergrund gerät: Der Konflikt zwischen Individualismus und Kollektivismus. Durch die Fokussierung auf die Rechte des Individuums, öffnet sich ein Blickwinkel, der auf eine andere als die übliche Konfliktlinie verweist: Diese verläuft nicht zwischen Islam und Europa oder zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, sondern zwischen jenen, die, gleich welcher kulturellen Herkunft und Religion, für die persönliche Freiheit des Einzelnen, für Menschenrechte und Pluralismus eintreten und jenen, die ethnische, religiöse beziehungsweise kulturelle Kollektive zementieren wollen. Zu letzteren zählen, wie ganz aktuell die Anfeindungen gegen Mesut Özil wieder einmal zeigen,Nationalisten, Rechtsradikale und Ausländerfeinde ebenso, wie auf Segregation beharrende muslimische Verbandsvertreter und religiöse Gruppen, kurz gesagt alle, die das (völkische, religiöse oder sonstige) Kollektiv über das Individuum stellen und die Gesellschaft auseinander dividieren wollen.

Die Geschichte von der Vorstellung einer allen Menschen angeborenen Würde hin zur Idee der Menschenrechte, und vor allem deren spätere Transformation in positives Recht, spiegeln eine Entwicklung wider, in der das Individuum seine traditionellen kollektivistischen Bindungen überwand. In modernen Gesellschaften ist Recht zu Individualrecht geworden. Der demokratische Staat bezieht seine Legitimität aus dem Schutz der Rechte der Einzelnen. Kulturelle oder religiöse Kollektive werden erst über das Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung zum Gegenstand menschenrechtlicher Überlegungen.[i]

In der pluralistischen Gesellschaft stehen weder Tradition noch Religion außerhalb von Beobachtung und Kritik. Traditions- und Religionskritik sind vielmehr Ausdruck demokratischer Gesellschaften, ja mehr noch, sie sind konstitutive Merkmale der Moderne schlechthin.

Das vorliegende Buch ist der Versuch, die verschiedenen Aspekte der ebenso aktuellen wie brisanten Kontroverse um Europa und Islam jenseits von Aufgeregtheit und Pauschalisierung zu diskutieren. Es bezieht Stellung auf Seiten der Aufklärung und versucht, unterschiedliche kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen ideengeschichtlich und historisch nachvollziehbar zu machen und betont den Wert von Menschenrechten, Pluralismus und persönlicher Freiheit für das friedliche Zusammenleben. Nur eine Gesellschaft, die konsequent die Rechte des Einzelnen verteidigt, wird in der Lage sein, Menschen verschiedenster Herkunft und Konfessionen zu integrieren.

 


 

[i] Heiner BIELEFELDT, Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus, Bielefeld 2007, 66.

2 Gedanken zu „In eigener Sache

  1. Ein dringend notwendiger Ansatz, um die Konflikte nicht im nebulösen
    Kulturen- und Religionskrieg zu belassen. Wir brauchen eine neue
    Beziehungskultur, und die kann nur auf der Grundlage der Menschenrechte
    entstehen. Herzlichen Glückwunsch (ich bin sehr gespannt auf das Buch).
    Viele Grüße, Peter Picciani

  2. Pingback: Das Kölner Beschneidungsurteil | Für Freiheit, Menschenrechte und Pluralismus

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